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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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184 PASSAGFN DER SOUVERÄNITÄT<br />

Abraham Lincoln hatte sicherlich recht, als er während des Bürgerkriegs<br />

glaubte, er würde die Nation neu begründen. Mit der Verabschiedung des<br />

14. Amendments begannen mehr als ein Jahrhundert andauernde juristische<br />

Auseinandersetzungen über Bürgerrechte und die Gleichberechtigung der<br />

afrikanischen Amerikaner. Darüber hinaus war die Debatte über die Sklaverei<br />

unvemieidlich mit den Diskussionen über die <strong>neue</strong>n Territorien verbunden.<br />

Worum es ging, war eine Neudefinition des Raums der Nation. Es ging<br />

um die Frage, ob sich der freie Exodus der in einer pluralen Gemeinschaft<br />

vereinten Menge weiterentwickeln, vollenden und zu einer Neugestaltung<br />

des öffentlichen Raums führen konnte. <strong>Die</strong> <strong>neue</strong> Demokratie musste die<br />

transzendentale Vorstellung von Nation mitsamt all ihren Rassentrennungen<br />

zerstören und ihr eigenes Volk schaffen, das nicht durch alte Hinterlassenschaften<br />

bestimmt war, sondern durch eine <strong>neue</strong> Ethik der Gemeinschaftsbildung<br />

und ­expansion. <strong>Die</strong> <strong>neue</strong> Nation konnte einzig das Ergebnis der<br />

politischen und kulturellen Organisation hybrider Identitäten sein.<br />

Das Ende des imperialen Raums<br />

<strong>Die</strong> großen und offenen amerikanischen Räume gingen in der Tat zur Neige.<br />

Selbst die Indianer immer weiter in immer engere Stammesgebiete zurückzudrängen<br />

reichte nicht mehr aus. Im 19. und 20. Jahrhundert rannten<br />

die amerikanische Freiheit, ihr <strong>neue</strong>s Modell einer Netzwerk­Macht und<br />

ihre andeisgeartele Vorstellung von moderner Souveränität gegen die Erkenntnis<br />

an, dass das offene Terrain begrenzt war. <strong>Die</strong> Entwicklung der<br />

amerikanischen Verfassung bewegte sich von diesem Moment an ständig<br />

auf einem schmalen Grat. Jedes Mal, wenn die Expansion des konstitutionellen<br />

Projekts an ihre Grenzen stieß, stand die Republik in der Versuchung,<br />

sich einem Imperialismus europäischer Art zuzuwenden. Aber<br />

gleichzeitig gab es immer auch eine andere Option: zum Projekt imperialer<br />

Souveränität zurückzukehren und es mit der ursprünglichen römischen<br />

»Mission« der Vereinigten Staaten in Einklang zu bringen. <strong>Die</strong>ses <strong>neue</strong><br />

Drama der amerikanischen Politik vollzog sich in der so genannten Progressive<br />

Era, d.h. von den 1890er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg.<br />

Genau in dieser Zeit betrat auch der Klassenkampf die amerikanische<br />

Bühne. Der Klassenkampf warf das Problem der Knappheit auf, nicht in<br />

absoluter Hinsicht, sondern in der die Geschichte des Kapitalismus prägenden<br />

Weise: als ungleiche Verteilung der Güter entlang der Trennlinien ge­

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