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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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INTERMEZZO: GEGEN-EMP1RE 229<br />

<strong>Die</strong> unbegrenzten Wege der Barbaren müssen eine <strong>neue</strong> Lebensweise formen.<br />

Solche Transformationen werden jedoch immer schwach und ambivalent<br />

bleiben, solange man sie nur im Hinblick auf Form und Ordnung betrachtet.<br />

Hybridität an sich ist eine leere Geste, und die bloße Verweigerung von<br />

Ordnung lässt uns lediglich an der Schwelle zum Nichts zurück - oder<br />

schlimmer: <strong>Die</strong>se Gesten drohen die imperiale Macht zu stärken, statt sie in<br />

Frage zu stellen. <strong>Die</strong> <strong>neue</strong> Politik wird nur dann eine wirklich substanzielle<br />

sein, wenn wir unseren Blick von der Frage der Form und Ordnung abwenden<br />

und stattdessen auf die Regime und Praktiken der Produktion richten.<br />

Im Bereich der Produktion werden wir erkennen können, dass diese Mobilität<br />

und Künstlichkeit nicht nur Ausnahmeerfahrungen kleiner, privilegierter<br />

Gruppen darstellen, sondern auf die gemeinsame Produktionserfahrung<br />

der Menge verweisen. Schon im 19. Jahrhundert erkannte man, dass<br />

die Proletarier die Nomaden der kapitalistischen Welt waren. 8 Selbst wenn<br />

deren Leben (wie meist der Fall) auf einen geografischen Ort fixiert bleibt,<br />

so bestimmen deren Kreativität und Produktivität körperliche und ontologische<br />

Migrationen. <strong>Die</strong> anthropologischen Metamorphosen der Körper ergeben<br />

sich aus der gemeinsamen Arbeitserfahrung und den <strong>neue</strong>n Technologien,<br />

die konstitutive Auswirkungen und ontologische Implikationen besitzen.<br />

Werkzeuge dienten schon immer als menschliche Prothesen, die als eine<br />

Art anthropologischer Mutation (und zwar sowohl in individueller Hinsicht<br />

wie im Hinblick auf das kollektive Gesellschaftsleben) über unsere Arbeitspraktiken<br />

in unsere Körper integriert sind. <strong>Die</strong> gegenwärtige Form des<br />

Exodus und das <strong>neue</strong> barbarische Leben verlangen, dass Werkzeuge zu<br />

poietischen Prothesen werden, die uns von der modernen condition humaine<br />

befreien. Um noch einmal auf den obigen Hinweis auf Marx zurückzukommen:<br />

Wenn die Dialektik zwischen Innen und Außen an ein Ende gekommen<br />

ist und wenn der separate Ort des Gebrauchswerts vom imperialen<br />

Terrain verschwindet, dann stehen die <strong>neue</strong>n Formen der Arbeitskraft vor<br />

der Aufgabe, aufs Neue das Menschliche (oder genauer das Posthumane) zu<br />

produzieren. <strong>Die</strong>se Aufgabe wird vor allem durch die <strong>neue</strong>n und zunehmend<br />

immateriellen Formen affektiver und intellektueller Arbeitskraft bewältigt<br />

werden, und zwar in der Gemeinschaft, die sie konstituieren, und in<br />

der Künstlichkeit, die sie als Projekt präsentieren.<br />

Mit diesem Übergang hat die dekonstruktivistische Phase kritischen<br />

Denkens, die von Heidegger und Adorno bis Derrida ein wirkungsvolles<br />

Instrument für den Ausgang aus der Moderne bot, ihre Wirkungskraft verlo-

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