24.06.2017 Aufrufe

Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

294 PASSAGEN DER PRODUKTION<br />

übergeht, dass die Ökonomien der so genannten entwickelten Länder nicht<br />

nur durch gewisse quantitative Faktoren oder ihre inneren Strukturen bestimmt<br />

sind, sondern zugleich und besonders durch ihre dominante Position<br />

im globalen System.<br />

Kritiker des Entwicklungsparadigmas formulierten Theorien über Unterentwicklung<br />

und Dependencia-Theorien, die in den 1960er Jahren, vor allem<br />

im lateinamerikanischen und afrikanischen Kontext, entstanden. Ihr<br />

Vorteil und ihre Bedeutung liegt darin zu betonen, dass die Ausbildung<br />

eines regionalen oder nationalen Wirtschaftssystems zum großen Teil von<br />

dem Platz abhängig ist, den es in der Hierarchie und in den Machtstrukturen<br />

des kapitalistischen Weltsystems einnimmt (vgl. Frank 1969; Cardoso/Faletto<br />

1976; Wallerstein 1979). <strong>Die</strong> beherrschenden Regionen werden<br />

den Weg der Entwicklung und die beherrschten den der Unterentwicklung<br />

fortsetzen und dabei den jeweils anderen Pol in der globalen Machtstruktur<br />

verstärken. Zu sagen, die beherrschten Ökonomien würden sich nicht entwickeln,<br />

heißt nicht, dass sie sich nicht verändern oder wachsen; es bedeutet<br />

vielmehr, dass sie im globalen System in beherrschter Position bleiben<br />

und daher niemals die versprochene Form herrschender, entwickelter Ökonomien<br />

annehmen werden. In einigen Fällen mögen Länder oder Regionen<br />

in der Lage sein, ihre Stellung in der Hierarchie zu verbessern, doch bleibt<br />

unabhängig davon, wer wo steht, die Hierarchie der entscheidende Faktor.<br />

<strong>Die</strong> Theorien über die Unterentwicklung tragen allerdings selbst ähnliche<br />

Illusionen der ökonomischen Entwicklung weiter (vgl. Escobar 1995, 80f.).<br />

Ein wenig schematisch könnte man sagen, dass sie in ihrer Argumentation<br />

von zwei zutreffenden historischen Annahmen ausgehen, doch daraus einen<br />

irrtümlichen Schluss ziehen. <strong>Die</strong> erste Annahme besagt dass die Unterentwicklung<br />

beherrschter Ökonomien auf die Einsetzung von Kolonialregimes<br />

und/oder andere Formen imperialistischer Herrschaft zurückgeht; aufrecht<br />

erhalten wird sie durch die Integration ins globale Netz der herrschenden<br />

kapitalistischen Ökonomien und ihre nur teilweise Differenzierung; von<br />

daher rührt die tatsächliche und fortdauernde Abhängigkeit von den dominanten<br />

Ökonomien. <strong>Die</strong> zweite Annahme besagt, dass die beherrschenden<br />

Ökonomien ihre ausdifferenzierten und unabhängigen Strukturen selbst<br />

ursprünglich in relativer Isolation, mit wenig Berührung zu anderen Ökonomien<br />

und globalen Netzen, entwickelt haben (vgl. Ake 1981, 136).<br />

<strong>Die</strong>se mehr oder weniger plausiblen historischen Annahmen rühren jedoch<br />

zu einer falschen Schlussfolgerung: Wenn die entwickelten Ökonomien<br />

zu ihrer Entfaltung in relativer Isolation kamen, wenn gleichzeitig die

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!