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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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UNTERGANG UND FALL DES EMPIRE<br />

Um diese Hypothese zu bestätigen, reicht es aus, sich die gegenwärtige<br />

Entwicklung der Menge und die Vitalität ihrer heutigen Ausdrucksformen<br />

anzuschauen. Wenn die Menge arbeitet, so produziert sie autonom und reproduziert<br />

die gesamte Lebenswelt. Autonom zu produzieren und zu reproduzieren<br />

heißt, eine <strong>neue</strong> ontologische Wirklichkeit zu schaffen. Und in der<br />

Tat: Indem sie arbeitet, produziert sich die Menge selbst als Singularität.<br />

<strong>Die</strong>se Singularität schafft einen <strong>neue</strong>n Ort inmitten des Nicht-Ortes des<br />

<strong>Empire</strong>, sie ist eine in Kooperation produzierte Wirklichkeit, die von der<br />

sprachlichen Gemeinschaft repräsentiert wird und sich durch Momente der<br />

Hybridisierung entwickelt. <strong>Die</strong> Menge bekräftigt ihre Singularität, indem<br />

sie die ideologische Illusion, alle Menschen auf den globalen Oberflächen<br />

des Weltmarkts seien austauschbar, umkehrt. Sie stellt die Marktideologie<br />

sozusagen vom Kopf auf die Füße und befördert durch ihre Arbeit die biopolitische<br />

Singularisierung von Gruppen und ganzen Teilen der Menschheit,<br />

und zwar an wirklich jedem Knotenpunkt des globalen Austauschs.<br />

<strong>Die</strong> Klassenkämpfe und die revolutionären Prozesse der Vergangenheit<br />

untergruben die politische Macht der Nationen und Völker. <strong>Die</strong> revolutionäre<br />

Präambel, die man vom 19. bis zum 20. Jahrhundert verfasste, hat die<br />

<strong>neue</strong> subjektive Konfiguration von Arbeit vorbereitet, die heute verwirklicht<br />

wird. Kooperation und Kommunikation überall in den Sphären biopolitischer<br />

Produktion bestimmen eine <strong>neue</strong> produktive Singularität. <strong>Die</strong><br />

Menge entsteht nicht einfach dadurch, dass man Nationen und Völker willkürlich<br />

zusammenwirft und vermischt; sie ist vielmehr die singuläre Macht<br />

eines <strong>neue</strong>n Staates.<br />

Man könnte an diesem Punkt berechtigterweise einwenden, dass all das<br />

immer noch nicht genügt, um die Menge als wirkliches politisches Subjekt<br />

zu etablieren, geschweige denn als ein Subjekt, das über sein Schicksal<br />

selbst bestimmen kann. <strong>Die</strong>ser Einwand lässt sich jedoch entkräften, denn<br />

die revolutionäre Vergangenheit sowie die gegenwärtigen kooperativen<br />

Produktionsrahigkeiten, aufgrund derer die anthropologischen Charakteristika<br />

der Menge fortwährend transkribiert und neu formuliert werden, können<br />

nicht umhin, ein Telos anzugeben, eine materielle Betonung der Befreiung.<br />

In der Antike sah sich Plotin einer nicht unähnlichen Situation<br />

gegenüber: »>So lasst uns fliehen in die geliebte Heimat< - so könnte man<br />

mit mehr Recht mahnen. (...) Dort nämlich ist unser Vaterland, von wo wir<br />

gekommen sind, und dort ist unser Vater. Was ist es denn für eine Reise,<br />

diese Flucht? Nicht mit Füßen sollst du sie vollbringen, denn die Füße tragen<br />

überall nur von einem Land in ein anderes, du brauchst auch kein Fahr-

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