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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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SYMPTOME DES ÜBERGANGS 157<br />

Beziehung über diese zentrale Grenze hinweg - die Einordnung aller Erfahrung<br />

in eine kohärente gesellschaftliche Totalität. Kurz: Das Gespenst, das<br />

in Bhabhas Darstellung umgeht und das diese verschiedenen Gegensätze<br />

kohärent miteinander verbindet, ist die Hegeische Dialektik, d.h. die Dialektik,<br />

welche die einander gegenüberstehenden essenziellen sozialen Identitäten<br />

in eine kohärente Totalität einordnet. In dieser Hinsicht könnte man<br />

davon sprechen, dass die postkoloniale Theorie (oder zumindest diese Version)<br />

wie die postmodernen Theorien primär dadurch definiert ist, dass sie<br />

nicht-dialektisch ist.<br />

Bhabhas Kritik der Dialektik - das heißt seine Attacke gegen binäre<br />

Aufteilungen, wesenhafte Identitäten und Totalisierung - ist sowohl eine<br />

soziologische Behauptung über die wahre Natur von Gesellschaften als<br />

auch ein politisches Projekt, das auf gesellschaftlichen Wandel abzielt. Ersteres<br />

ist denn auch eine Bedingung der Möglichkeit für letzteres. Soziale<br />

Identitäten und Nationen waren niemals wirklich kohärente imaginäre Gemeinschaften;<br />

die Anpassung der Kolonisierten an den Diskurs der Kolonisatoren<br />

formuliert den gesamten Identitätsbegriff noch einmal und entfremdet<br />

ihn von seinem Kern; Kulturen sind immer schon partielle und hybride<br />

Gebilde. <strong>Die</strong>se gesellschaftliche Tatsache bildet die Grundlage, auf der ein<br />

subversives politisches Projekt in Angriff genommen werden kann, das auf<br />

die Zerstörung der binären Macht- und Identitätsstruktur abzielt. Zusammengefasst<br />

lautet Bhabhas Logik der Befreiung somit folgendermaßen:<br />

Macht (oder gesellschaftliche Unterdrückung) funktioniert dadurch, dass sie<br />

die gesellschaftlichen Subjektivitäten binären Strukturen und einer totalisierenden<br />

Logik unterwirft und damit deren Differenz unterdrückt. <strong>Die</strong>se Unterdrückungsstrukturen<br />

sind jedoch niemals total, denn Differenzen finden<br />

stets auf irgendeine Weise Ausdruck (durch Mimikry, Ambivalenz, Hybridbildung,<br />

gebrochene Identitäten usw.). Das politische Projekt des Postkolonialismus<br />

besteht somit darin, die Vielfalt der Differenzen zu betonen und<br />

so die Macht der herrschenden binären Strukturen zu untergraben.<br />

<strong>Die</strong> Utopie, auf die Bhabha verweist, nachdem die binären und totalisierenden<br />

Machtstrukturen aufgebrochen und abgelöst wurden, ist kein isoliertes<br />

und fragmentiertes Dasein, sondern eine <strong>neue</strong> Form der Gemeinschaft,<br />

eine Gemeinschaft der »Unbehausten«, ein <strong>neue</strong>r Internationalismus,<br />

eine Zusammenkunft von Menschen in der Diaspora. <strong>Die</strong> Betonung von<br />

Differenz und Hybridität ist laut Bhabha an sich schon eine Betonung der<br />

Gemeinschaft: »In der unheimlichen Welt zu leben, ihre Doppelwertigkeiten<br />

und Zweideutigkeiten im Haus der Fiktion inszeniert zu sehen oder ihre

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