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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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162 PASSAGEN DER SOUVERÄNITÄT<br />

des islamischen Modernismus verwirft, für den Moderne stets als Anpassung an<br />

oder Unterwerfung unter europäisch-amerikanische Hegemonie übercodiert<br />

war. »Wenn modern im ersten Eifer der postkolonialen Zeit hieß, nach<br />

westlicher Bildung, Technik und Industrialisierung zu streben«, so Akbar<br />

Ahmed, »dann würde postmodern eine Rückwendung zu traditionellen<br />

muslimischen Werten und eine Zurückweisung der Moderne bedeuten.«<br />

(Ahmed 1992, 32) Betrachtet man den islamischen Fundamentalismus lediglich<br />

unter kulturellen Gesichtspunkten, so erweist er sich als eine paradoxe Art<br />

postmoderner Theorie - postmodern nur deshalb, weil er zeitlich auf die<br />

islamische Moderne folgt und sich in Gegensatz zu ihr stellt. Er ist jedoch<br />

wirklich postmodern, wenn man ihn unter geopolitischen Gesichtspunkten sieht:<br />

»Der heutige postmoderne Fundamentalismus ist in bedeutsamer Weise neu,<br />

weil sein Grundantrieb antiwestlich ist (...). Daher auch seine Verdammung der<br />

klassischen Moderne als Kraft der reinen Verwestlichung.« (Rahman 1984,<br />

136) Mit Sicherheit waren mächtige Teile des Islam seit den Anfangen dieser<br />

Religion in gewisser Weise »antiwestlich«. Das Neue an den heutigen<br />

Fundamentalismen jedoch ist, dass sie sich in Wahrheit gegen diejenigen<br />

Mächte zur Wehr setzen, die sich in der <strong>neue</strong>n imperialen <strong>Weltordnung</strong><br />

herausbilden. Unter diesem Gesichtspunkt war die iranische Revolution eine<br />

machtvolle Zurückweisung des Weltmarkts; und insofern könnte man sie als die<br />

erste postmoderne Revolution betrachten.<br />

<strong>Die</strong>se Vermählung zwischen Postmoderne und Fundamentalismus ist sicherlich<br />

ein seltsames Paar, wenn man bedenkt, das sich der postmoderne und<br />

der fundamentalistische Diskurs in mancherlei Hinsicht völlig konträr<br />

gegenüber stehen: Hybridität vs. Reinheit, Differenz vs. Identität, Mobilität vs.<br />

Stillstand. Es hat den Anschein, als seien die Postmoderne und die heutige<br />

Welle des Fundamentalismus nicht nur gleichzeitig entstanden, sondern auch<br />

als Antwort auf die gleiche Situation, nur eben an entgegengesetzten Polen der<br />

globalen Hierarchie, was sich auch in geographischer Hinsicht zeigt. Etwas<br />

vereinfacht könnte man behaupten, dass sich die postmodernen Diskurse<br />

vorwiegend an die Gewinner der Globalisierungsprozesse richten, die<br />

fundamentalistischen Diskurse hingegen an die Verlierer. Mit anderen Worten:<br />

<strong>Die</strong> heutigen globalen Entwicklungen in Richtung zunehmender Mobilität,<br />

Unbestimmtheit und Hybridität werden von einigen als eine Art Befreiung<br />

empfunden, von anderen aber als Verschärfung ihres Leids. Mit Sicherheit<br />

haben die fundamentalistischen Unternehmungen - vom Front National in<br />

Frankreich über den christlichen Fundamentalismus in den USA bis hin zu den<br />

Islambruderschaften - beim Volk vor allem unter denjenigen

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