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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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204 PASSAGTN DER SOUVERÄNITÄT<br />

schein, als sei die vorherrschende Ideologie unserer gesamten Gesellschaft<br />

gegen Rassismus gerichtet und als sei der imperiale Rassismus in kemster<br />

Weise rassistisch, weil man der festen Überzeugung ist, dass diese relativistische<br />

und kulturalistische Argumentation zwangsläufig antirassistisch sei.<br />

Wir sollten jedoch etwas eingehender betrachten, wie der imperiale Rassismus<br />

in der Theorie funktioniert. Etienne Balibar bezeichnet diesen <strong>neue</strong>n<br />

Rassismus als differenzialistischen Rassimus, als Rassismus ohne Rasse<br />

oder genauer: als Rassismus, der nicht auf einem biologischen Rassenbegriff<br />

beruht. Doch auch wenn die Biologie als Begründung wegfällt, so Balibar,<br />

übernimmt nun die Kultur deren Rolle (Balibar/Wallerstein 1990,<br />

29f.). Gemäß unseren Denkgewohnheiten sind Natur und Biologie fest und<br />

unabänderlich, während Kultur als formbar und fließend gilt: Kulturen können<br />

sich im Laufe der Geschichte verändern, sie können sich vermischen<br />

und unendlich viele Hybride ausbilden. Aus der Sicht des imperialen Rassismus<br />

sind der Flexibilität und Kompatibilität von Kulturen jedoch enge<br />

Grenzen gesetzt. Unterschiede zwischen Kulturen und Traditionen, so lautet<br />

die Schlussfolgerung dieser Rassismustheorie, sind letztlich unüberwindlich.<br />

Gemäß der imperialen Theorie ist es schädlich, ja sogar gefahrlich, die<br />

Vermischung von Kulturen zuzulassen oder diese gar zu verlangen: Serben<br />

und Kroaten, Hutus und Tutsis, afrikanische Amerikaner und Amerikaner<br />

koreanischer Abstimmung müssen voneinander getrennt bleiben.<br />

Als Theorie sozialer Differenz ist die kulturelle Position um keinen Deut<br />

weniger essenzialistisch als die biologische, zumindest aber liefert sie eine<br />

gleich starke theoretische Grundlage für gesellschaftliche Separation und<br />

Segregation. Trotzdem handelt es sich zugleich um eine pluralistische Haltung:<br />

Alle kulturellen Identitäten sind im Prinzip gleich. <strong>Die</strong>ser Pluralismus<br />

lässt all die Unterschiede, wie wir eben sind, gelten, solange wir bereit sind,<br />

auf der Grundlage dieser Identitätsunterschiede zu handeln, solange wir<br />

unsere Rasse spielen. Rassenunterschiede sind somit im Prinzip kontingent,<br />

gleichwohl in der Praxis nötig, weil sie gesellschaftliche Separation markieren.<br />

<strong>Die</strong> theoretische Ersetzung von Rasse oder Biologie durch Kultur wird<br />

damit paradoxerweise in eine Theorie zur Bewahrung der Rasse verwandelt<br />

(<strong>Michael</strong>s 1992 und 1995). 35 <strong>Die</strong>se Verschiebung in der Rassismustheorie<br />

zeigt, wie die imperiale Theorie eine ursprünglich als antirassistisch geltende<br />

Position übernehmen und gleichzeitig an einem ausgeprägten Prinzip<br />

gesellschaftlicher Separation festhalten kann.<br />

Wir sollten jedoch daraufhinweisen, dass die imperiale rassistische Theorie<br />

als solche eine Theorie der Segregation und nicht der Hierarchie ist.

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