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Hardt_Michael_Negri_Antonio_Empire_Die_neue_Weltordnung_German

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406 UNTERGANG UND FALL DES EMPIRE<br />

nachlassender Bestimmtheit gegen die Bewegungen der Menge vor: Es<br />

überwacht die Küsten und die Grenzen; innerhalb jedes Landes teilt es und<br />

sondert ab; und in der Welt der Arbeit verstärkt es die Konfliktlinien und<br />

Grenzziehungen von Rasse, Geschlecht, Sprache, Kultur usw. Selbst dabei<br />

muss es jedoch darauf achten, dass es die Produktivität der Menge nicht zu<br />

sehr beschneidet, denn auch das <strong>Empire</strong> hängt von dieser Macht ab. Man<br />

muss den Bewegungen der Menge gestatten, sich immer weiter über die<br />

ganze Welt auszubreiten, und die Versuche, die Menge zu unterdrücken,<br />

sind in Wahrheit paradoxe, umgekehrte Manifestationen ihrer Stärke.<br />

Das bringt uns zurück zu unseren Grundfragen: Wie können die Handlungen<br />

der Menge politisch werden? Wie kann die Menge ihre Energien<br />

einteilen und konzentrieren, um gegen die Unterdrückung und die unablässigen<br />

territorialen Segmentierungen des <strong>Empire</strong> vorzugehen? <strong>Die</strong> einzige<br />

Antwort, die wir auf diese Fragen geben können, lautet: Das Handeln der<br />

Menge wird zuallererst dann politisch, wenn es sich unmittelbar und in angemessenem<br />

Bewusstsein gegen die zentralen Unterdrückungsaktionen des<br />

<strong>Empire</strong> richtet. Es geht darum, die imperialen Initiativen zu erkennen und<br />

zu attackieren und es ihnen somit fortwährend unmöglich zu machen, die<br />

Ordnung wiederherzustellen; es geht darum, die Grenzen und Segmentierungen,<br />

die der <strong>neue</strong>n kollektiven Arbeitskraft auferlegt werden, zu überschreiten<br />

und niederzureißen; es geht darum, diese Widerstandserfahrungen<br />

zu sammeln und sie konzertiert gegen die Nervenzentren der imperialen<br />

Befehlsgewalt einzusetzen.<br />

<strong>Die</strong>se Aufgabe für die Menge mag zwar begrifflich eindeutig sein, doch<br />

sie bleibt ziemlich abstrakt. Welche spezifischen und konkreten Praktiken<br />

werden dieses politische Projekt mit Leben erfüllen? Das lässt sich an diesem<br />

Punkt nicht sagen. Was wir gleichwohl erkennen können, ist ein erster<br />

Baustein zu einem politischen Programm der globalen Menge, eine erste<br />

politische Forderung: Weltbürgerschaft. Als es 1996 in Frankreich zu Demonstrationen<br />

für die sans papiers kam, also diejenigen, die sich ohne gültige<br />

Papiere im Land aufhielten, war auf den Transparenten zu lesen:<br />

»Papiers pour tous!« Aufenthaltsgenehmigungen für jeden heißt zuallererst,<br />

dass alle in dem Land, in dem sie leben und arbeiten, die vollen staatsbürgerlichen<br />

Rechte genießen sollen. Das ist wahrlich keine utopische oder<br />

unrealistische politische Forderung. Es geht schlicht darum, dass der rechtliche<br />

Status der Bevölkerung entsprechend den tatsächlichen ökonomischen<br />

Veränderungen der letzten Jahre reformiert wird. Das Kapital selbst war es,<br />

das die zunehmende Mobilität von Arbeitskraft und fortwährende Migratio-

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