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Jens Clausen Umsteuern oder Neugründen?

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Grüne GründerInnen<br />

Agenda gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Bereits 1924 konstatiert Rudolf<br />

Steiner „Dasjenige, was für eine Weiterpflege der Natur notwendig ist, das ist ja<br />

vollständig in das Nichtwissen hineingekommen im Laufe des materialistischen<br />

Zeitalters. ..... Die Traditionen verschwinden. Die Leute werden mit Wissenschaft<br />

die Äcker düngen. Die Kartoffeln, das Getreide, alles wird immer schlechter“<br />

(Steiner 1989/1924: 21). In seinem landwirtschaftlichen Kurs gab Rudolf Steiner<br />

umfangreiche Anleitungen zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die in der<br />

Folge durch anthroposophische Landwirte praktisch umgesetzt und praktiziert<br />

wurden. 1939 schrieb dann Sir Albert Howard (1976/1939) „Mein<br />

landwirtschaftliches Testament“, das als einer der Ursprünge für „organic farming“<br />

gesehen wird. In den 50er-Jahren erforschten die Schweizerin Dr. Marie Müller und<br />

ihr Mann Hans Müller Möglichkeiten zur Bodenverbesserung durch organische<br />

Düngung. Diese "organisch-biologische" Richtung wurde durch Hans-Peter Rusch<br />

wissenschaftlich vertieft und findet seither, u. a. unter dem Markenzeichen Bioland,<br />

zunehmend Anhänger (Kurtz 2001). In den 20er- bis 70er-Jahren entstanden so die<br />

Ursprünge der ökologischen Landwirtschaft. Die Verarbeitung von ökologischen<br />

Produkten dürfte bis in die 70er-Jahre hauptsächlich in der Hand der<br />

Reformkostunternehmen gelegen haben.<br />

Noch in den 70er-Jahren spielte nämlich in der Alternativbewegung vor dem<br />

Aufbau einer ökologischen Ernährungsalternative die Kritik am herrschenden<br />

System die dominante Rolle. Das folgende Zitat aus dem Protokoll der<br />

Ernährungsgruppe vom Alternativen Umweltfestival in Berlin im Juni 1978 zur<br />

Bewertung des üblichen Nahrungsmittelangebots gibt ein wenig den Zeitgeist<br />

wieder: „Wir bezahlen den ganzen Mist auch noch! Und oben drein bezahlen wir<br />

noch, daß uns die Industrieherren mit raffinierter Werbung zu mehr Konsum<br />

verleiten, daß sie uns mit Fernsehaugen und Kaufhausbullen 170 beobachten lassen“<br />

(Dokumentationsgruppe 1979: 101). Als Alternative in der<br />

Nahrungsmittelversorgung wurden Food-Coops gegründet, die größtenteils<br />

ökologische Lebensmittel von Landkommunen und Großhändlern besorgten und<br />

die auf eine Höchstzahl von 20 bis 100 Mitgliedern ausgelegt waren. Nur wenige<br />

GründerInnen arbeiten zu dieser Zeit am Aufbau ökologischer Unternehmen 171 .<br />

Meist war die alternative Produktion von Gütern <strong>oder</strong> Dienstleistungen zu dieser<br />

170 Gemeint sind Überwachungskameras und Ladendetektive.<br />

171<br />

Einer von ihnen war der Chef der heutigen Rapunzel Naturkost AG, Josef Wilhelm, der als<br />

„langhaariger Bio-Apostel“ 1976 erstmals in die Türkei fuhr, um unbehandelte Trockenfrüchte für das<br />

„Original Rapunzel Müsli“ aufzutreiben (EVE 2002: 17). Ein zweiter, Heinz-Dieter Gasper als Gründer<br />

des Naturkostunternehmens Heuschrecke, wird in Abschnitt 5.4.2 vorgestellt.<br />

161

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