Jens Clausen Umsteuern oder Neugründen?
Jens Clausen Umsteuern oder Neugründen?
Jens Clausen Umsteuern oder Neugründen?
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Grüne GründerInnen<br />
Vertreterbesuchen. Die Kollektivansprüche (z. B. jeder kann alles) wurden<br />
relativiert, die Individualqualifikation erfuhr mehr Wertschätzung. Höhere Preise<br />
aufgrund des „alternativen Projektcharakters“ erschienen Blätterwald jetzt<br />
unrealistisch. In diesem Prozess wurde der ideelle Anspruch fokussiert, aber nicht,<br />
wie von Schaltegger und Petersen (2001: 20) vermutet, komplett aufgegeben.<br />
Blätterwald setzte bis zum Konkurs 1994 weiterhin auf „original<br />
Umweltschutzpapier“ und schloss auch Spitzenverdiener mit Dienst-Mercedes aus.<br />
Aufbauend auf seit 1983 bestehenden Vorläuferorganisationen (Gasper 2003)<br />
gründeten 1988 engagierte Naturköstler ihren ersten Unternehmensverband, den<br />
„Bundesverband Naturkost“. Hintergrund war der Wunsch, die Zusammenarbeit<br />
besser zu strukturieren und die mittlerweile entstandenen regionalen Treffen der<br />
Bio-Firmen zu einer bundesweiten Kraft zu entwickeln. Ein wichtiges Instrument<br />
für eine aussagekräftige Antwort auf Bio-Skandale waren die Qualitätskontrollen<br />
des Bundesverbandes. Durch intensive Arbeit in der Richtlinienkommision wurde<br />
ein Anforderungskatalog an kontrolliert-biologische Erzeugnisse erstellt und<br />
bundesweit jeder Mitglieds-Hersteller und -Bioladen auf die Einhaltung der<br />
Richtlinien kontrolliert (Kurtz 2001) - ein groß angelegtes und kostspieliges<br />
Unterfangen, welches eine Reaktion auf beginnende Glaubwürdigkeitsprobleme zur<br />
damaligen Zeit war 174 . Die 90er-Jahre standen dann im Zeichen der<br />
Professionalisierung. Ein kontinuierliches Marktwachstum ließ auch im<br />
Lebensmittelsektor die ersten konventionellen Unternehmen einsteigen und parallel<br />
dazu wuchs die Zahl der Grünen Gründungen beständig. Diese wurden aber<br />
mittlerweile nicht mehr als Kollektive, sondern als Privatunternehmen im Eigentum<br />
von Einzelpersonen gegründet.<br />
Das seit Ende der 80er-Jahre dann zu beobachtende, kontinuierliche Wachstum<br />
der Produktion und Vermarktung ökologischer Lebensmittel wurde dadurch<br />
begünstigt bzw. ermöglicht, dass der Gesamtmarkt ausgesprochen groß ist: Die<br />
Ernährung 175 macht heute immerhin noch 11,7 % der Ausgaben der privaten<br />
Haushalte aus (Statistisches Bundesamt 2001: 665). Weiter besteht der Vorteil, dass<br />
sich Umweltentlastungen in der Produktion nicht nur in einem Sozialnutzen für die<br />
174<br />
Schon 1982 fragte der Spiegel in einem Titelbeitrag: „…aber ist die Ware aus den grünen Läden<br />
gesünder und ist sie auch wirklich frei von Gift?“ (Spiegel 1982: 66). Der Artikel dokumentiert<br />
umfangreiche Rückstandsuntersuchungen und fokussiert stark auf die Belastungsproblematik.<br />
Hinsichtlich der Art des Anbaus werden eine Reihe von Selbstdeklarationen wie „ungespritzt“ und<br />
„gesunder Geschmack reiner Natur“ zitiert und resümiert: „Von Zweifeln am Wahrheitsgehalt solcher<br />
Reklamepredigten hat sich die Bioten-Bewegung bislang nicht aufhalten lassen“ (Spiegel 1982: 67 f.).<br />
175 Angabe für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke.<br />
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