Untitled - European Borderlands
Untitled - European Borderlands
Untitled - European Borderlands
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
G o r a n P e t r o v i ć - B i l d e r e i n e r A u s s t e l l u n g<br />
Nur die Fenster im Ostflügel hielten von Anfang an dasselbe Bild fest – Kiefern und Tannen, das<br />
Grabmal eines Bischofs vom Ende des vorletzten Jahrhunderts und die Umrisse der Kirche, aus der<br />
durch die bleiverglasten Scheiben der drei schmalen aber hohen, zweigeteilten Spitzbogenfenster<br />
der Schein der Öllampen und Wachskerzen leuchtete. Hier hatte sich von Beginn der Ausstellung<br />
an nichts verändert. Aber deshalb versammelten sich immer mehr Gäste vor diesen konstanten<br />
Bildern. Zuerst war ihre Anzahl unbedeutend. Später kam es wegen der anwachsenden Menge<br />
zu einem Durcheinander. Und dann zu einem beispiellosen Getümmel, in dem die Stärkeren die<br />
Schwächeren beiseite schoben, um näher zu kommen, immer näher …<br />
In der allgemeinen Dunkelheit der Galerie drängten sich zuletzt so viele Menschen vor diesen<br />
beiden Fenstern, dass sich die ersten mit plattgedrückten Wangen und Nasen direkt vor dem<br />
Glas wiederfanden, während sich hinter ihnen fast eine handfeste Schlägerei um jeden Platz im<br />
Randbereich dieses fernen, unwirklich warmen Dämmerlichts entwickelte.<br />
COCKTAIL<br />
Ebenso plötzlich, wie es verschwunden war, flammte das Licht wieder auf. Auf einen Schlag<br />
verloren sich alle zwölf Fenster im blendenden Weiß der Decke, der Wände und des Marmorbodens.<br />
Die Gäste entfernten sich von den Rahmen, ordneten hastig die Festkleidung und den verwunderten<br />
Gesichtsausdruck. Eine junge Dame versuchte neugierig, die Blicke der Männer abzuschätzen<br />
und herauszubekommen, wer von ihnen ihr in diesem Durcheinander seine warme Hand auf den<br />
Oberschenkel gelegt hatte. Die Galerieangestellten zogen fast unmerklich die Vorhänge zu.<br />
Die ersten, die die Stille unterbrachen, waren die Kellner, als sie diskret Erfrischungen<br />
anboten. Beim Klirren der Gläser und Schäumen der ausgewählten Getränke – da kamen wieder<br />
das übertrieben süße Lächeln auf und die Geschichten, von denen niemand hören mag, und denen<br />
niemand geduldig bis zum Ende lauschen will.<br />
Übersetzt: Susanne Böhm-Milosavljević<br />
64 DER OSTEN