Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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474 Dieter Marc Schneider<br />
sche Gemeindevertreter in 9416 Orten. Die Partei stellte 2309 Bürgermeister, besoldete<br />
Stadträte und Beigeordnete 58 .<br />
Programmatisch hatte die SPD die Forderung nach einer einheitlichen Verfassung<br />
<strong>für</strong> die Stadt- und Landgemeinden und der Einführung des Einkammersystems mit<br />
der Gemeindevertretung als leitender Verwaltungsinstanz erhoben 59 . Doch in der<br />
Weimarer Republik war eine über das gleiche Wahlrecht hinausgehende Vereinheitlichung<br />
der nach wie vor landesgesetzlich geregelten Kommunalverfassung nicht<br />
gelungen. Vor allem eine Vereinheitlichung der Regelungen über das Verhältnis von<br />
Stadtverordnetenversammlungen und Kommunalbürokratie war unterblieben. In<br />
Preußen hatte weiterhin die sogenannte Magistratsverfassung bestanden, nach der<br />
der Magistrat nicht nur alleiniges Verwaltungsorgan, sondern auch zweites beschließendes<br />
Organ gegenüber der Stadtverordnetenversammlung war. In diesem Zweikammer-System<br />
hatte der Magistrat - besonders unter profilierten Oberbürgermeistern<br />
- ein deutliches Übergewicht gegenüber dem Stadtparlament. Eine ebensolche<br />
Doppelfunktion als verwaltungsführendes und zugleich mitbeschließendes Organ<br />
sah die sogenannte Bürgermeisterverfassung vor, die in den rheinischen und westfälischen<br />
Städten wie in modifizierter Form auch in Sachsen und Thüringen galt.<br />
Radikaldemokratische Veränderungen im kommunalen Verfassungsrecht, die Thüringen<br />
mit seiner Gemeindeordnung von 1922 und Sachsen 1923 unter linkssozialistischen<br />
Regierungen durchzusetzen versuchte 60 , scheiterten nach Intervention der<br />
Reichsregierung.<br />
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme waren den politischen<br />
Anstrengungen der Sozialdemokratie <strong>für</strong> eine weitere Demokratisierung der Verwaltung<br />
vorläufig ein Ende gesetzt. Erst in Verfassungsentwürfen und Plänen <strong>für</strong><br />
58 Vgl. Jahrbuch der deutschen Sozialdemokratie <strong>für</strong> 1929, S. 183.<br />
59 Hierzu: Dieter Rebentisch, Die deutsche Sozialdemokratie und die kommunale Selbstverwaltung.<br />
Ein Überblick über Programmdiskussion und Organisationsproblematik 1890-1975, in: Archiv <strong>für</strong><br />
Sozialgeschichte, Bd. XXV, 1985, S. 35 ff.; vom orthodox-marxistischen Standpunkt die Studie von<br />
Helmut Arndt, Zu einigen Aspekten sozialdemokratischer Kommunalpolitik in der Weimarer<br />
Republik, in: Jahrbuch <strong>für</strong> Regionalgeschichte, Hrsg. Historische Kommission der Sächsischen<br />
Akademie der Wissenschaften, Bd. 9, S. 105-119.<br />
60 Die „Gemeinde- und Kreisordnung", die in Thüringen von der Linkskoalition von SPD, USPD und<br />
KPD verabschiedet worden war und am 1. Okt. 1922 in Kraft trat, gab der Gemeindevertretung<br />
weitgehende Kontrollmöglichkeiten über die Verwaltung. Die Wahlperioden <strong>für</strong> Bürgermeister und<br />
Gemeinderat wurden auf drei Jahre beschränkt, und es wurden weitere radikaldemokratische Elemente<br />
wie Gemeindebegehren und -entscheid eingeführt. Eine inhaltlich vergleichbare Kommunalordnung<br />
wurde am 12. Juli 1923 in Sachsen von der SPD-KPD-Koalitionsregierung unter Erich<br />
Zeigner verabschiedet. Diese Entwicklung wurde unterbrochen bzw. rückgängig gemacht durch die<br />
Intervention der Reichsregierung (Einmarsch der Reichswehr in Sachsen im Okt. 1923 und in Thüringen<br />
Nov. 1923). Der Text der thüringischen Gemeindeordnung in: Paul Kieß, Handbuch des<br />
kommunalen Rechts der Gemeinden, Stadt- und Landkreise Thüringens, Jena 1922; zu der sächsischen<br />
Kommunalordnung vgl. Walter Fabian, Klassenkampf in Sachsen, Löbau 1930,S.91,129und<br />
139 ff.; Gert Richter, Zur Herausbildung und Ausprägung der Kommunalpolitik der Kommunistischen<br />
Partei Deutschlands in Chemnitz von 1918/19 bis 1929. Phil. Diss. Univ. Leipzig, 1980,<br />
S. 61 ff.