Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 447<br />
Mit dem Ausbruch des Krieges traten solche Bedenken, soweit sie reflektiert wurden,<br />
naturgemäß völlig in den Hintergrund. Die freiwillige Meldung zur Wehrmacht<br />
war selbstverständlich, auch wenn besuchende Frontsoldaten - ehemalige<br />
Zöglinge - Desillusionierendes zu berichten hatten: Sie beschränkten sich auf<br />
Andeutungen, da die Jüngeren nicht entmutigt werden sollten.<br />
Gegen die Unterstellung unter die Deutsche Heimschulinspektion wehrte sich die<br />
Ritterakademie zunächst erfolgreich. Der Schuldirektor hatte gezielt auf eine<br />
Umwandlung hingearbeitet und wurde darin vom Oberbürgermeister der Stadt<br />
unterstützt. Er richtete im November 1942 ein Schreiben an den Reichserziehungsminister<br />
116 , in dem er energisch die Auflösung des Alumnats und die Einrichtung<br />
einer Deutschen Heimschule an seiner Stelle forderte. Zur Begründung führte er an,<br />
es sei dem Direktor des Gymnasiums „nicht möglich gewesen, die Alumnaten der<br />
Ritterakademie in dieselbe nationalsozialistische Lebensanschauung hineinzugewöhnen,<br />
wie das bei den Schülern der Saldria ohne Unzuträglichkeiten gelang.<br />
Daran änderte sich auch nichts und kann auch gar nichts geändert werden ... die<br />
vielfach dem Hochadel 117 entstammenden Besucher des Internats ... bilden ...<br />
durchaus noch eine Kaste <strong>für</strong> sich, die sich von den übrigen Schülern abgesondert<br />
halten und damit das einheitliche nationalsozialistische Erziehungswerk an der Saldria<br />
gefährden. Dieser Zustand ist ... unhaltbar und muß so schnell wie möglich<br />
beseitigt werden." Die 1937 getroffene Maßnahme sei nur eine halbe Maßnahme<br />
gewesen und müsse jetzt „zu einer ganzen" gemacht werden.<br />
Dem inzwischen mit dem Ritterkreuz ausgezeichneten Kurator, der in den<br />
Kämpfen bei Stalingrad schwer verwundet worden war, gelang es noch einmal,<br />
einen Aufschub zu erreichen. Gleichzeitig reorganisierte der Senior der Zöglinge die<br />
Mitarbeit in der HJ, und sein Nachfolger berichtete Anfang 1944 in einem Rundbrief<br />
an die bei RAD oder Wehrmacht stehenden Zöglinge, daß „dadurch ... unsere<br />
Stellung ... allmählich sogar bei der Reichsjugendführung so gut [wurde], daß wir<br />
das vollste Vertrauen dieser Stellen genießen" 118 . Wenn auch der Einfluß der Reichsjugendführung<br />
bei der Erhaltung der Eigenständigkeit der Ritterakademie nicht<br />
aktenmäßig nachgewiesen werden kann, so blieb das Internat doch bis zum Spätsommer<br />
1944 in seiner alten Form bestehen. Am 23. August 1944 teilte dann der<br />
Oberpräsident der Provinz Mark Brandenburg dem Heimleiter mit, daß das Internat<br />
mit sofortiger Wirkung der Inspektion der Deutschen Heimschulen unterstellt<br />
sei und mit Beginn des neuen Schuljahres eine Deutsche Heimschule an seine Stelle<br />
der politischen Einstellung der Schüler fest. In Bieberstein „drängten die Schüler die Anti-Nazis<br />
raus" (mündl. Mitteilung 1986).<br />
116<br />
Schreiben vom 10. ll. 1942, Eingangsstempel Regierung Potsdam 12. ll. 1942, Unterschrift Dr.<br />
Siewert (?). Als Reprint in: Der Kurier, Nr. 190, 1.4. 1984.<br />
117<br />
Das traf seit spätestens 1933 nicht mehr zu: von 183 Zöglingen, die 1933-45 die Ritterakademie<br />
besuchten, waren 100 bürgerlicher Herkunft. Aus dem „Hochadel" (ehemals regierende Häuser)<br />
kamen keine Zöglinge, zum Uradel (vor 1400 urkundlich belegt) zählten 19 märkische Familien.<br />
118<br />
„Der Kurier aus Brandenburg", maschinenschriftl. hektographiert, Nr. 1/44, 27.1.1944 (von Schü<br />
lern herausgegeben).