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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 449<br />

noch bestärkt. Die Älteren nahmen trotz Verbots an den Kampfaktionen teil, was<br />

der Schulleiter stillschweigend duldete: eine Haltung, die zu dieser Zeit viele Parallelen<br />

hatte und sich nicht nur aus der Tradition der Schule erklärt.<br />

Gouverneur des Internats - so der offizielle Titel - war von 1924 bis zum Kriegsausbruch<br />

der Rittmeister v. Nickisch-Rosenegk, der der Straßer-Bewegung angehört<br />

hatte und deswegen später aus der Partei ausgeschlossen wurde. Ihm und dem<br />

Kurator, Graf Rothkirch-Trach, gelang es, bis 1940 nationalsozialistische Eingriffe<br />

abzuwehren, obwohl das Internat in diesen Jahren eine große Nachfrage erlebte.<br />

Um den Vorwurf der „reaktionären Standesschule" zu entkräften, wurden jetzt<br />

mehr Söhne aus bürgerlichen Familien aufgenommen, wobei, wie auch in Brandenburg,<br />

möglichst Offizierskreise berücksichtigt wurden. Eine eigene HJ-Einheit<br />

bestand nicht, und es gingen daher „oft Beschwerden wegen mangelhafter Beteiligung<br />

und Interesselosigkeit" ein 121 . Bei Kriegsausbruch unternahmen der Rittmeister<br />

v. Nickisch-Rosenegk und ein zweiter Erzieher den Versuch, die Armee zur<br />

Übernahme der Ritterakademie zu bewegen, da man sich darüber klar war, daß das<br />

Internat in seiner bisherigen Form nicht mehr lange gehalten werden konnte. Das<br />

Unternehmen scheiterte jedoch, die beiden Erzieher wurden abgesetzt und die Leitung<br />

des Internats dem neu ernannten Schulleiter übertragen.<br />

Durch einen als Spitzel eingeschleusten Schüler kam es zu Denunziationen und<br />

zu Verhören durch die Gestapo, die sich vor allem auf das Abhören englischer Sender<br />

bezogen. Die älteren Schüler konnten sich den Folgen durch vorzeitige Einberufung<br />

oder freiwillige Meldung zur Wehrmacht entziehen 122 , einzelne jüngere Schüler<br />

wurden durch ihre Eltern aus dem Internat herausgenommen und in der Stadt<br />

untergebracht. Damit war auch hier die hierarchische Führungsstruktur durchbrochen<br />

und einer Solidarität der Renitenz der Boden entzogen.<br />

Der Rassismus in all seinen furchtbaren Auswirkungen lag außerhalb des unmittelbaren<br />

Lebensbereichs der Zöglinge; abgesehen von Schulpforta gibt es keine<br />

Berichte über antisemitische Ausschreitungen. In den konfessionell ausgerichteten<br />

Schulen waren nur selten jüdische Zöglinge gewesen, genaue Angaben gibt es<br />

jedoch nicht. Auch der Pogrom von 1938 wurde nicht selbst miterlebt, da die Zöglinge<br />

zu diesem Zeitpunkt - November - im Internat waren. Angaben über das persönliche<br />

Eintreten ehemaliger Schüler <strong>für</strong> jüdische Mitbürger finden sich nur ganz<br />

vereinzelt, so über den Altafraner Berliner Pfarrer Walther Heyden, der mit Hilfe<br />

von Canaris 13 jüdische Einwohner seines Pfarrbezirks aus KZ-Lagern rettete, und<br />

über Landrat Wichard v. Bredow, Zögling der Ritterakademie Brandenburg, der den<br />

Brand der Synagoge in Schierwindt/Ostpr. verhinderte. Er hatte zu dieser Zeit drei<br />

Söhne auf der Ritterakademie.<br />

Dieser Komplex ist bisher jedoch nicht systematisch erfaßt und analysiert worden,<br />

obwohl das zusammengetragene biographische Material bei aller Lückenhaftigkeit<br />

121 G. v. Hepke (Erzieher 1935-1941): Kurzer Bericht über die letzten Jahre der Ritterakademie, 1965,<br />

maschinenschriftl.<br />

122 H. v. Münchhausen (Zögling 1939-43), mündl. Mitteilung 1987.

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