Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Renaissance und Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltung in der SBZ 497<br />
der sowjetischen Verfassung von 1936 heißt) 146 , so wurde durch die genannten<br />
Reformgesetze auch in der DDR der <strong>für</strong> das Kommunalrecht bisher grundlegende<br />
Begriff der eigenständigen Gebietskörperschaft aufgelöst.<br />
Selbst Historiker der DDR beurteilen die Entstehungsgeschichte ihres Staates<br />
durchaus nicht einheitlich. Einige von ihnen zeichnen die auch in diesem Aufsatz<br />
untersuchte Entwicklung sehr eindimensional, sehen sie gradlinig auf eine Zentralisierung<br />
hin verlaufen und schätzen auch den Einfluß der sowjetischen Militäradministration<br />
sehr hoch ein. Die andere Denkschule betont dagegen die Eigenständigkeit<br />
und Eigenverantwortlichkeit auf kommunaler und Länderebene, die nach 1945<br />
erheblich gewesen und erst ab 1948 zunehmend eingeengt worden sei 147 . Die<br />
Erkenntnisse der vorliegenden Untersuchung stützen eindeutig letztere These. Im<br />
nachhinein mag die Demokratische Gemeindeordnung von 1946 und die einige Zeit<br />
weitgehend unabhängig arbeitende kommunale Verwaltung lediglich als Teil der<br />
Strategie der sowjetischen Besatzungsmacht und der KPD/SED bewertet werden,<br />
auch in Deutschland ein „volksdemokratisches" System zu etablieren. Diese Sicht ist<br />
sicherlich zu einfach, denn es gab auf dem Weg dorthin zumindest zeitweise eine<br />
nationale Option auch von deutschen Kommunisten, die eine Sowjetisierung ihres<br />
Landes mit einiger Glaubwürdigkeit ablehnten. Wie dem auch gewesen sein mag,<br />
die Funktionsfähigkeit einer Kommunalverwaltung nach Geist und Buchstabe einer<br />
radikalen demokratischen Gemeindeverfassung auch nur <strong>für</strong> wenige Jahre muß als<br />
ein herausragender Beitrag zu dem mühevollen Aufbau des Staates gewürdigt werden,<br />
der diese <strong>Institut</strong>ion schließlich selbst zerstörte.<br />
146 Nach der sowjetischen Verfassung verfügen die lokalen Staatsorgane in den Regionen, Gebieten,<br />
Bezirken und Gemeinden über keine eigenen, von der Staatsverwaltung rechtlich abgegrenzten<br />
Zuständigkeitsbereiche. Die Staatsgewalt ist absolut einheitlich und wird sowohl zentral wie lokal<br />
durch Sowjets und die von ihren gewählten Exekutiv-Komitees ausgeübt. Die Exekutiv-Komitees<br />
oder Vollzugsausschüsse sind sowohl ihrem territorialen Sowjet als auch dem Vollzugsorgan des<br />
nächsthöheren Sowjet „doppelt" unterstellt. Innerhalb der Vollzugsausschüsse bestehen Abteilungen<br />
bzw. Verwaltungen, die in ihrer Arbeit wiederum sowohl ihrem Vollzugsausschuß und dadurch<br />
dem lokalen Sowjet als auch dem entsprechenden übergeordneten Zweigorgan der staatlichen Verwaltung<br />
unterstellt sind. Die jeweils höhere Stelle ist befugt, Beschlüsse und Anordnungen der<br />
untergeordneten Organe aus Gründen der Gesetz- wie auch Zweckmäßigkeit aufzuheben oder<br />
auszusetzen. Vgl. Walter Meder, Die Lokalverwaltung in der Sowjetunion, in: Archiv des öffentlichen<br />
Rechts. Bd. 88, 1963, S. 428-450; zum Systemvergleich UdSSR - DDR auf dem Gebiet der<br />
Verwaltung und des Staatsaufbaus vgl. Hanspeter Horn, Das System der örtlichen Volksvertretungen<br />
und ihrer Räte in der DDR, Jur. Diss. Göttingen, 1973; Ulrich Riedel, Der Einfluß des Sowjetrechts<br />
und der Weimarer Verfassung auf die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik<br />
vom 7. 10. 1949, Jur. Diss. Göttingen, 1973.<br />
147 Eine eher offiziöse „Staatsgeschichtsschreibung", in der die gesetzmäßige, lineare Entwicklung hin<br />
zum Sozialismus betont wird, ist das wissenschaftliche Produkt von Historikern vor allem aus dem<br />
Arbeitsumfeld der Akademie <strong>für</strong> Staats- und Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg wie auch<br />
der Akademie der Wissenschaften der DDR (hier namentlich u. a. Karl-Heinz Schöneburg, Siegfried<br />
Schulze, Wolfgang Merker). Dazu in kritischer Distanz stehen einige Universitäts-Historiker<br />
und Archivare, deren Denkansatz vor allem in regionalen Untersuchungen erkennbar ist und auch<br />
in persönlichen Gesprächen mit dem Verf. sehr deutlich artikuliert wurde.