Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Zionismus im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1939 395<br />
Stellen seien nicht besonders effektiv gewesen 109 . Ziel der Auswanderungspolitik<br />
müsse die Konzentration der deutschen Juden sein, nicht ihre Zersplitterung; als<br />
Ansiedlungsorte seien neben Palästina auch verschiedene südamerikanische Länder<br />
geeignet. Kritik fand die in Regierungskreisen verbreitete Idee, die deutschen Juden<br />
über die ganze Welt zu zerstreuen, aber auch die Intention des Auswärtigen Amts,<br />
der Sache der Araber in Palästina größere diplomatische Unterstützung zuteil werden<br />
zu lassen: „Eine anti-jüdische Beeinflussung arabischer Volkskreise in Palästina<br />
(...) ist unbedingt zu unterbinden. Die Aufhetzung der Araber gegen die jüdischen<br />
Einwanderer schädigt letzten Endes das Reich, da durch Unruhen die Auswanderungstätigkeit<br />
stark eingedämmt wird, was besonders während der Unruhen des<br />
Jahres 1936 ersichtlich wurde." Schließlich empfahl der Bericht die Zentralisierung<br />
der Zuständigkeiten in Auswanderungsangelegenheiten bei der SS; bis in den Sommer<br />
hinein sollten die Forderungen nach einer stärkeren Einschaltung des SD in die<br />
Auswanderungspolitik nicht verstummen 110 .<br />
Der „Anschluß" Österreichs im März 1938 verschaffte dem SD Gelegenheit zur<br />
Umsetzung seiner Empfehlungen. Eichmann wurde nach Wien geschickt mit der<br />
Aufgabe, dort eine Zweigstelle der Abteilung II/112 einzurichten. Im Rahmen dieser<br />
neugeschaffenen Zentralstelle <strong>für</strong> jüdische Auswanderung besaß Eichmann die<br />
uneingeschränkte Vollmacht und Kontrolle über die Organisation der Austreibung<br />
der österreichischen Juden 111 . Was im Altreich von einer Dienststelle zur anderen<br />
wanderte und Wochen oder Monate dauerte, wurde in Eichmanns Zentralstelle in<br />
einem Tag erledigt: Die österreichischen Juden wurden nach Wien gebracht, in<br />
Lager eingewiesen und durch die Zentralstelle geschleust, wo man ihnen ihr Vermögen<br />
abnahm und sie binnen weniger Stunden mit allen Stempeln, Papieren, Visa und<br />
Pässen ausstattete, die zum Verlassen des Landes notwendig waren. Weder die Veräußerung<br />
oder der Transfer von Besitz noch die Beschaffung gültiger Einwanderungsvisa<br />
waren Bestandteil dieses Austreibungsvorgangs. Während die Auswanderung<br />
im Altreich - den traumatischen Begleiterscheinungen und aller Härte zum<br />
Trotz - im Prinzip immer noch ein freiwilliger Akt war, handelte es sich in Österreich<br />
um erzwungene und überstürzte Deportationen.<br />
Im Laufe des Sommers 1938 errang der SD dann auch im Altreich größeren Einfluß<br />
auf die Auswanderungspolitik 112 . Als Druckmittel diente dabei der Erfolg in<br />
Österreich: Bis Ende Oktober 1938 zwang Eichmanns Zentralstelle mehr als 50000<br />
109<br />
BA, R/58-956. Der Bericht ist ungezeichnet, sein Verfasser war vermutlich Eichmann. In seinem<br />
Prozeß erwähnte Eichmann die Bemühungen seiner Abteilung, die Judenpolitik 1937 unter der<br />
Oberhoheit der SS zu zentralisieren; Eichmann Trial, card 87, 20.6. 1961; weitere Belege in: NA,<br />
T-175/410, 2935004, 2934988ff., und T-175/280, 2774476f.<br />
110<br />
NA, T-175/R588, 000388-90, Aufzeichnung von II/112 vom 7.4.1937, T-175/R588, 000400-09,<br />
Richtlinien und Forderungen von II/112 an Oberabschnitte vom 21. 4. 1937.<br />
111<br />
BA, R/58-1253, Der Sicherheitsdienst des RFSS und der SD-Führer des SS-Oberabschnittes/<br />
Donau, undat.<br />
112<br />
NA, T-175/410, 2935020f., Tätigkeitsbericht von II/112 vom 1.1.-30. 6. 1938; vgl. auch Adam,<br />
Judenpolitik, S. 185, Anm. 229 und S. 198.