Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 429<br />
<strong>für</strong> den Verfechter des Humanistischen verknüpft als der alte Streit um geistig schulende<br />
Kräfte." 62<br />
In einer vergleichsweise günstigeren Situation zum Zeitpunkt der Machtübernahme<br />
befand sich die Fürstenschule St. Afra in Meißen. Der Rektor, Dr. Hartlich,<br />
selbst Fürstenschüler und früher Lehrer an der Fürstenschule St. Augustin/Grimma,<br />
hatte die Schule seit 1921 erfolgreich durch die wirtschaftlich und politisch schwierigen<br />
Jahre gelenkt. Bei seinem Amtsantritt hatte er den ersten schweren Einbruch in<br />
die jahrhundertealte afranische Tradition erlebt: der sächsische Kultusminister, Fleissner<br />
(USPD), hatte das Schulgebet verboten, eine Anordnung, die auch <strong>für</strong> die evangelische<br />
Stiftsschule galt, bis sie 1923 wieder aufgehoben wurde. Als Dr. Hartlich<br />
1934 in den Altersruhestand trat, legte er während der auf dem Schulfest gehaltenen<br />
Abschiedsrede noch einmal ein offenes Bekenntnis zum „afranischen Dreiklang" -<br />
Christo, Patriae, Studiis - ab: „Man raubt uns Christus, wenn man ihn unter dem<br />
Gesichtspunkt rassischer Wünsche betrachtet, wenn die Deutschen ihn nur insofern<br />
anerkennen wollen, als sich seine Gestalt völkischen Ansprüchen anpassen läßt ...<br />
Das Vaterland vom Christentum trennen, wäre Vernichtung der deutschen Geistesgeschichte,<br />
hieße aber auch, ein Schiff ohne Kompaß und Sicherungen in das Meer hinausstoßen."<br />
Wissenschaft müsse im „Wahrheitssuchenden, sittlichen Geist" betrieben<br />
werden, ihre Voraussetzungen könnten nicht von der Regierung diktiert werden 63 .<br />
Als Beobachter war der kommissarische Kreisobmann des NSLB, ein Volksschullehrer<br />
aus dem benachbarten Großenhain, anwesend. Er schickte seinen Bericht an<br />
das Gauamt des NSLB und wies mehrfach empört auf die mangelnde Bereitschaft der<br />
Schule hin, nationalsozialistischen Geist zu verbreiten. Über ihren reaktionären Charakter<br />
könne kein Zweifel bestehen, eine völlige Neuorientierung sei dringend erforderlich<br />
64 .<br />
Die Ernennung des Nachfolgers brachte zwar die äußere Gleichschaltung, stellte<br />
jedoch noch keinen völligen Bruch mit der Fürstenschultradition dar. Der neue Rektor<br />
war selbst Fürstenschüler und als Oberstudiendirektor seit einigen Jahren an der<br />
Schule tätig. Er gehörte seit 1932 der NSDAP und dem NSLB an, in dem er die<br />
Funktion eines Unterabteilungsleiters <strong>für</strong> höhere Schulen innehatte. Seine eigene<br />
Position, aber auch der Status der Schule war dadurch nach außen abgesichert,<br />
denn der NSLB hatte nach der Machtübernahme Mühe, die zahlreichen neugeschaffenen<br />
Ämter mit geeigneten Mitgliedern zu besetzen. Rektor Kastner wurde<br />
mit der Einrichtung von Schullandheimen betraut, in denen die Stadtschuljugend<br />
nationalsozialistischen Schulungsmaßnahmen zugeführt werden sollte. Er nutzte<br />
seine Funktion offenbar geschickt zur Herstellung guter Beziehungen zum Gauamtsleiter<br />
des NSLB, Arthur Göpfert.<br />
62 Jubliäumsgabe, S. 23.<br />
63 Die Ansprache wurde in einem Bericht über das Schulfest im Meißner Tageblatt v. 3. 7. 1934 ausführlich<br />
referiert mit Hervorhebungen der hier zitierten Stellen und ohne jede Anspielung auf eine<br />
„überfällige" nationalsozialistische Erneuerung der Schule.<br />
64 S. <strong>Anhang</strong>, Dokument Nr. 1.