Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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482 Dieter Marc Schneider<br />
Stadtrates und Gemeinderates waren von dem Vertrauen der Körperschaft abhängig,<br />
von der sie gewählt worden waren.<br />
Es ist deshalb nicht zu hoch gegriffen, die der Kommunalverwaltung zugrunde<br />
liegenden Verfassungsnormen (im Vergleich zur Entwicklung der Kommunalverfassung<br />
in der Weimarer Republik und in den westlichen Besatzungszonen) als „radikaldemokratisch"<br />
zu bezeichnen. Sie erinnern an die Thüringer Kommunalverfassung<br />
der Linkskoalition aus dem Jahre 1923, mit der die traditionelle Magistratsverfassung<br />
zugunsten einer weitgehenden Kontrolle der Gemeindeverwaltung durch<br />
die Gemeindevertretung praktisch aufgehoben worden war.<br />
3. Die kommunalpolitische Entwicklung nach den Gemeindewahlen<br />
1946<br />
Bei den ersten Gemeindewahlen, die zwischen dem 1. und 15. September 1946 stattfanden<br />
und in denen die Wähler nach dem Verhältniswahlrecht zwischen verschiedenen<br />
Listen entscheiden konnten, erzielte die SED - die im Frühjahr 1946 aus der<br />
Vereinigung von SPD und KPD entstanden war - auf zonaler Ebene die absolute<br />
Mehrheit. Verglichen mit den politischen und propagandistischen Möglichkeiten<br />
dieser allein schon von der Mitgliederzahl her mächtigen Partei, die zudem noch<br />
von den inzwischen gegründeten „Massenorganisationen" unterstützt wurde, war<br />
der CDU und der LDP (die zudem einen weit geringeren Organisationsgrad hatten)<br />
von der SMAD im Wahlkampf ein äußerst restriktiver Rahmen gesetzt worden<br />
85 . Trotzdem geriet die SED in zahlreichen, meist mittel- und großstädtischen<br />
Gemeindevertretungen in die Minderheit. Vor allem die LDP, die sich im Wahlkampf<br />
unter anderem <strong>für</strong> die Wiedereinführung des Berufsbeamtentums eingesetzt<br />
hatte, dominierte in mehreren Großstädten und ging aus den Kommunalwahlen als<br />
85 Bei der Wahl wurden CDU und LDP materiell stark behindert (mangelnde Papierzuteilung etc.).<br />
Daraufhin protestierende Ortsgruppen dieser bürgerlichen Parteien wurden manchmal von der<br />
Besatzungsmacht einfach verboten (so z. B. überliefert <strong>für</strong> die CDU-Ortsgruppe im Eichsfeld:<br />
Interview des Verf. mit dem damaligen Landrat Dr. Schäfer, vgl. Anm. 45), und es kam auch vor, daß<br />
Politiker zum demonstrativen Verlassen ihrer Partei gedrängt und bei Weigerung repressiven Maßnahmen<br />
ausgesetzt wurden. (Interview des Verf. mit Frau Esther-Maria von Coelln am 15. Nov.<br />
1983 in München. Frau von Coelln war seit 1945 Mitgl. der CDU Meiningen, 1946 MdL Thüringen,<br />
1947-1949 RegRätin im Min. <strong>für</strong> Handel und Versorgung in Weimar, 1949-50 Dezernentin<br />
<strong>für</strong> Volksbildung Stadt Weimar, 1950 Flucht in den Westen) Auch der damalige Dessauer LDP-<br />
Oberbürgermeister Fritz Hesse (vgl. Anm. 55) berichtet über massive Benachteiligungen, Pressezensur<br />
und Überwachung der Wahlversammlungen durch die Besatzungsmacht (Fritz Hesse, Erinnerungen<br />
an Dessau, 2.Bd.: Aus den Jahren 1925 bis 1950, München, im Selbstverlag (1964),<br />
S. 136 ff.).