Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Literatur 531<br />
die richtige Haltung gegenüber der Kriegsanstrengung des kaiserlichen Deutschland hatten<br />
im August 1914 mit der ersten Reichtstagsabstimmung über die Kriegskredite begonnen und<br />
waren danach stetig bitterer geworden. Bis November 1918 hatten die Mehrheitssozialdemokraten<br />
ein Drittel ihrer Mitglieder an die USPD verloren. Der Haß, der zwischen den Führern<br />
der beiden Parteien entstanden war, sollte nicht unterschätzt werden, und er trägt durchaus<br />
zur Erklärung des tragischen Zögerns Eberts und seiner Kollegen bei, sich mit ihren<br />
früheren Genossen auszusöhnen, nachdem die Revolution ausgebrochen war.<br />
Man muß sich auch daran erinnern, daß die USPD, trotz all ihrer inneren Gegensätze, am<br />
Sturz des wilhelminischen Reiches gearbeitet und etwa während des Januarstreiks von 1918<br />
ihre Anhängerschaft darauf eingestimmt hatte, eine direkte Aktion gegen den Staat zu erwarten.<br />
Gewiß wurde die USPD überrascht, als sich die Ereignisse am 8. und 9. November 1918<br />
überschlugen, aber die Führer der Mehrheitssozialdemokraten wußten, daß sie, falls sie<br />
zögerten, die Initiative an Männer verlieren konnten, deren Urteilsvermögen sie zutiefst mißtrauten.<br />
Deshalb haben die Aktivisten der SPD dem alten Regime selber den Gnadenstoß versetzt.<br />
Winkler beschreibt in faszinierendem Detail, wie Otto Wels, ein loyaler Mehrheitssozialdemokrat,<br />
beim Sturz der Hohenzollern-Dynastie eine Schlüsselrolle spielte, indem er die<br />
Naumburger Jäger, eine Elitetruppe, die von den kaiserlichen Behörden <strong>für</strong> besonders verläßlich<br />
gehalten worden war, überredete, sich auf die Seite der Revolution zu schlagen. Er überzeugte<br />
sie davon, daß Wilhelms Weigerung, auf den Thron zu verzichten, den Weg zum Frieden<br />
blockiere. Diese Soldaten erwiesen sich dann als loyale Stützen des neuen Regimes und<br />
verteidigten es gegen den unverantwortlichen Spartakistenaufstand im Januar 1919. Ohne<br />
solch entschlossenes Handeln wäre die parlamentarische Demokratie in Deutschland nicht<br />
durchgesetzt worden, und dabei ist auch zu bedenken, daß die Sicherung von „Ordnung"<br />
nicht einfach als Niederhaltung der radikalen Linken gesehen wurde.<br />
Auf der anderen Seite hatte die Zusammenarbeit in der Kriegsanstrengung, die von vielen<br />
Mehrheitssozialdemokraten bereitwillig offeriert worden war - teils aus Patriotismus, teils aus<br />
dem Wunsche heraus, die Position ihrer Partei im Nachkriegsdeutschland zu verbessern -, ein<br />
positiveres Verhältnis zwischen ihnen und dem Staatsapparat erzeugt, als man im Juli 1914 <strong>für</strong><br />
möglich gehalten hätte. Zu einem Teil erklärt sich hieraus die Bereitschaft Eberts, mit einem<br />
Manne wie General Groener von der OHL zu kooperieren. Während des Krieges hatten<br />
Gewerkschaftsführer bei der Organisierung der Kriegsproduktion in Groener einen guten<br />
Partner gefunden. Seine Aufgeschlossenheit hob sich vorteilhaft von der negativen Einstellung<br />
der Unternehmer und selbst der alten Zivilverwaltung ab. Kein Wunder, daß Ebert lieber mit<br />
Groener arbeitete als mit jenen auf der Linken, die er als verantwortungslose Unruhestifter<br />
betrachtete.<br />
Dies ist auch eine Erklärung da<strong>für</strong>, daß Ebert so wenig <strong>für</strong> eine Reform der Armee tat. Es<br />
steht außer Zweifel, daß mehr hätte geschehen können, um dem Beschluß des Rats der Volksbeauftragten<br />
zur Errichtung einer „Volkswehr" oder sonstiger loyaler republikanischer Streitkräfte<br />
nachzukommen. Das Konzept fand die nachdrückliche Billigung der Arbeiter- und Soldatenräte.<br />
Die Widerstände erschienen nicht als unüberwindlich. Die Schwäche des alten<br />
Offizierkorps gegenüber der Revolution hatte sich bei zahlreichen Gelegenheiten gezeigt.<br />
Doch Ebert zog es vor, mit Groener und ehemals kaiserlichen Generalstabsoffizieren zu kollaborieren,<br />
und später ernannte er Gustav Noske zu seinem Kriegsminister, der die Aufstellung<br />
von Freikorps unter monarchistischen Offizieren förderte. Als der Rätekongreß, am<br />
18. Dezember 1919, die von Walther Lamp'l formulierten Vorschläge des Hamburger Soldatenrats<br />
zur Demokratisierung der Armee annahm, wich ihnen Ebert aus. Diese Vorschläge<br />
stellten allerdings keine brauchbare Lösung <strong>für</strong> die Probleme der Armee dar; sie waren eine<br />
Formel <strong>für</strong> Disziplinlosigkeit und Unentschlossenheit. Winkler argumentiert, daß Ebert mehr<br />
hätte tun sollen, um eine revidierte Version des Lamp'l-Programms zu erreichen, doch ist es<br />
überaus zweifelhaft, ob ein Kompromiß mit den Soldatenräten je eine ernsthafte Möglichkeit<br />
war.