Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Zionismus im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1939 389<br />
Palästina den jüdischen Einfluß in der Welt in unvorhersehbarem Ausmaß verstärken<br />
würde. Ebenso wie Moskau die Zentrale <strong>für</strong> die Komintern, würde Jerusalem<br />
die Zentrale einer jüdischen Weltorganisation bilden, die dabei ebenso wie Moskau<br />
mit diplomatischen Mitteln arbeiten könnte." 85 Nur eine Woche später setzte Hinrichs<br />
Abteilungskollege Bülow-Schwante im Auswärtigen Amt eine Aktennotiz in<br />
Umlauf, in der er vor der Möglichkeit warnte, daß ein jüdischer Staat in den Völkerbund<br />
aufgenommen werden und sich der wachsenden Koalition der Deutschland<br />
feindlich gesonnenen Staaten anschließen könnte 86 .<br />
Die Be<strong>für</strong>chtungen über die mögliche Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina<br />
verstärkten sich in Partei- und Regierungskreisen im Frühjahr 1937 noch weiter.<br />
Die einen sahen den nationalsozialistischen Glauben an die jüdische Weltverschwörung<br />
bestätigt, <strong>für</strong> die anderen lag das Problem in dem strategischen Nachteil,<br />
der sich zwangsläufig aus der Errichtung eines neuen Staates ergeben würde, der<br />
dem „neuen Deutschland" seinem Wesen nach feindlich gegenüberstehen mußte.<br />
Für das Auswärtige Amt bestand ein klarer Unterschied zwischen der indirekten<br />
Unterstützung, die man bisher einer nationalen jüdischen Heimstätte unter britischer<br />
Verwaltung hatte zuteil werden lassen, und einem unabhängigen jüdischen<br />
Staat; letzteren lehnte man in Übereinstimmung mit sämtlichen Regierungs- und<br />
Parteistellen ab 87 .<br />
Als Reaktion auf die Möglichkeit einer jüdischen Staatsgründung wuchs auch die<br />
Kritik am Haavara-Abkommen. Hinzu kamen die Sorge um die Sicherheit deutscher<br />
christlicher Gemeinden in Palästina und Be<strong>für</strong>chtungen hinsichtlich eines Verlusts<br />
von deutschem Ansehen bei den Arabern. Insgesamt entwickelte sich daraus<br />
nichts weniger als eine Überprüfung des gesamten Prozesses der jüdischen Auswanderung<br />
aus Deutschland 88 . Besonders in der Frage des endgültigen Zieles der Auswanderungspolitik<br />
waren die beteiligten Stellen - die Reichsministerien <strong>für</strong> Äußeres,<br />
Inneres und Wirtschaft sowie die Auslandsorganisation der NSDAP und die SS -<br />
unterschiedlicher Meinung: War eine Konzentration der Juden in Palästina oder an<br />
einem anderen Ort in deutschem Interesse, oder war es vorzuziehen, sie möglichst<br />
über den gesamten Globus zu zerstreuen? Die Frage ließ freilich die Tatsache außer<br />
acht, daß es nicht in der Kontrolle Deutschlands lag, wohin die ausgewanderten<br />
Juden letztlich gehen würden.<br />
Ende April, gut zwei Monate vor Veröffentlichung des Peel-Berichts, machte<br />
Ministerialdirektor Ernst von Weizsäcker die zuständigen Abteilungen des Auswärtigen<br />
Amts mit Richtlinien zur Palästina-Politik vertraut 89 . Darin wurde das deutsche<br />
Interesse an der schnellen Auswanderung der Juden wiederholt, im Gegensatz<br />
zur bisherigen Politik jedoch zur Vorsicht gegenüber einer Konzentration der Juden<br />
85<br />
PA/AA, Inland II A/B, 83-21 a, Bd. 1a.<br />
86<br />
PA/AA, Büro des Chefs der Auslandsorganisation, Judenstaat-Palästina, Vermerk vom 27. 4. 1937.<br />
87<br />
PA/AA, Inland II A/B, 83-21 a, Bd. 1 a, Aufzeichnung Pol. Abt. VII vom 22.1.1937.<br />
88<br />
Dazu ausführlich Nicosia, Third Reich, Kap. 7.<br />
89<br />
PA/AA, Büro des Chefs der Auslandsorganisation, Judenstaat-Palästina, Aufzeichnung Referat D<br />
vom 27.4. 1937; Inland II A/B, 83-21 a, Bd. 1 a, Aufzeichnung Referat D vom 25. 5. 1937.