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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 431<br />

mächtigter zur besonderen Verwendung, erklärte hier im Juni 1934: „Die Schule<br />

darf sich nicht ihr Herzstück, die Erziehung des totalen Menschen, nehmen lassen,<br />

das wäre eine Katastrophe". 69<br />

Der seit langem besonders von der Reformpädagogik vertretene und in der<br />

Öffentlichkeit lebhaft diskutierte Grundsatz der „Erziehung der Jugend durch<br />

Jugend" war von den Nationalsozialisten in kurzer Zeit zum Schreckensbild perhorresziert<br />

worden. Nicht nur Lehrer, auch Eltern und Schüler forderten die Wiederherstellung<br />

der Autorität der Schule, und ein Lehrer konstatierte 1934 „eine neue<br />

Freude an der Schulgemeinschaft, da der ganz einseitig auf den jungen Menschen<br />

als Führer eingestellte HJ-Betrieb auf die Dauer doch nicht befriedigt" 70 .<br />

Während dieses kurzen Zeitabschnitts einer noch nicht völlig unterdrückten Meinungsfreiheit<br />

konnte daher in einer Beilage der „Politischen Erziehung" ein Bericht<br />

„Bräuche in St. Afra" erscheinen, der, kommentarlos veröffentlicht, fast anachronistischen<br />

Charakter trug. Ohne mit einem Wort auf die nationalsozialistische<br />

Erneuerung einzugehen, gab der Verfasser, ein afranischer Lehrer, ein anschauliches<br />

Bild von den zahlreichen Schul- und Schülertraditionen, schlüsselte die 105 Freistellen<br />

in ihrer Dotierung auf und zitierte das alte Afranergelöbnis: „Ich gelobe, fleißig,<br />

gehorsam, gottes<strong>für</strong>chtig und dankbar zu sein", das im übrigen auch noch eine<br />

Reihe von Jahren bestand. Der Beitrag erschien zwar an etwas versteckter Stelle in<br />

der Beilage, fiel jedoch völlig aus dem Rahmen der Zeitschrift und sollte offensichtlich<br />

ein Hinweis gegenüber Partei und HJ auf die alte sächsische Schultradition sein,<br />

die in der Geschichte des Landes einen hervorragenden Platz einnahm. Auch Göpfert,<br />

seit dem 11. März 1935 kommissarischer Minister <strong>für</strong> Volksbildung in Sachsen<br />

und damit am Ziel seiner stärker von persönlichem Ehrgeiz als politischem Fanatismus<br />

bestimmten Wünsche, scheint die rücksichtslos betriebene Nivellierung des<br />

Schulsystems nicht völlig ohne Bedenken beobachtet zu haben. Eine seiner ersten<br />

Amtshandlungen war ein Besuch in St. Afra (26. 3. 1935), womit er die Bedeutung,<br />

die er der Schule beimaß, hervorhob. Politische Beanstandungen gab es nicht: die<br />

Lehrer waren am 1. Juni 1933 fast geschlossen in den NSLB eingetreten und die<br />

Schüler vollzählig in der HJ.<br />

Der Anpassungsprozeß der Schule war somit gewissermaßen von staatlicher Seite<br />

sanktioniert worden. Gleichzeitig suchte aber der größere Teil der Lehrerschaft<br />

nach innen die alten Erziehungsleitsätze weiterhin aufrechtzuerhalten. Wichtigste<br />

Stütze dabei war der Schulpfarrer Muntschick, der der Bekennenden Kirche angehörte.<br />

Er „nutzte mit großem Geschick und persönlichem Engagement kirchliche<br />

Veranstaltungen zur Standortbestimmung" 71 . Unter den Lehrern bestand ein „konspirativer<br />

Stammtisch", auch „Muntschick-Kreis" genannt. Pfarrer Muntschick<br />

hatte bereits unter Rektor Härtlich seinen Dienst an der Schulgemeinde versehen<br />

69 Politische Erziehung, Juni 1934, S. 404.<br />

70 E. Hennig, Will Jugend durch Jugend geführt werden ? in: Die höhere Schule, Beilage zu Politische<br />

Erziehung, H. 15, Dez. 1934, S. 431.<br />

71 Sap.Aude, H. 14, Febr. 1981, S. 6.

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