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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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390 Francis R. Nicosia<br />

in Palästina gemahnt, um die Errichtung eines jüdischen Staates nicht noch zu<br />

erleichtern; die jüdische Emigration müsse deshalb irgendwie an andere Bestimmungsorte<br />

umgelenkt werden. Am 1. Juni übermittelte Außenminister von Neurath<br />

neue Richtlinien zur Palästina-Politik an die deutschen Botschaften in London und<br />

Bagdad sowie an das Generalkonsulat in Jerusalem 90 . Die Ablehnung eines unabhängigen<br />

jüdischen Staates in Palästina wurde in dem Dokument damit begründet,<br />

daß dieser „das Weltjudentum nicht absorbieren, sondern zusätzliche völkerrechtliche<br />

Machtbasis <strong>für</strong> internationales Judentum schaffen würde, etwa wie Vatikan-<br />

Staat <strong>für</strong> politischen Katholizismus oder Moskau <strong>für</strong> Komintern". Notwendig seien<br />

engere Beziehungen zu den Arabern in Palästina und zu den arabischen Ländern<br />

der Region, ohne daß Deutschland direkt mit der Palästina-Frage in Zusammenhang<br />

gebracht werden dürfe. Die Londoner Botschaft wurde separat angewiesen,<br />

die britische Regierung davon in Kenntnis zu setzen, daß die deutsche Unterstützung<br />

der jüdischen Emigration nach Palästina nicht bedeute, daß man einen unabhängigen<br />

jüdischen Staat hinnehmen werde 91 . Abschließend hieß es, die Grundsätze<br />

der Auswanderungspolitik und das Haavara-Abkommen würden in naher Zukunft<br />

einer umfassenden Überprüfung unterzogen.<br />

Aufgrund der 1937 in den Bereich des Möglichen gerückten Schaffung eines<br />

unabhängigen jüdischen Staates in Palästina erhob sich erneut die Frage nach den<br />

Implikationen der NS-Judenpolitik im Innern <strong>für</strong> die deutsche Außenpolitik. In<br />

einem Rundschreiben an alle diplomatischen und konsularischen Vertretungen im<br />

Ausland kündigte das Referat D am 22. Juni 1937 die Neuorientierung der Auswanderungspolitik<br />

an und relativierte die bisherige, unter rein innenpolitischen Gesichtspunkten<br />

gestaltete Judenpolitik 92 . Durch die bisherige ausschließliche Betonung des<br />

Zieles, Deutschland „judenrein" zu machen, sei unzutreffenderweise die Vorstellung<br />

entstanden, die „Judenfrage" sei gelöst, wenn der letzte Jude deutschen Boden verlassen<br />

habe. „In Wirklichkeit besteht aber ein größeres deutsches Interesse daran,<br />

die Zersplitterung des Judentums aufrecht zu erhalten. Denn die Judenfrage wird<br />

<strong>für</strong> Deutschland nicht gelöst sein, wenn kein Angehöriger der jüdischen Rasse mehr<br />

auf deutschem Boden seßhaft ist. Vielmehr hat die Entwicklung der letzten Jahre<br />

gelehrt, daß das internationale Judentum zwangsläufig stets der weltanschauliche<br />

und damit politische Gegner des nationalsozialistischen Deutschlands sein wird. Die<br />

Judenfrage ist daher zugleich eines der wichtigsten Probleme der deutschen Außenpolitik."<br />

Der unheilvolle Ausblick auf die Grundlagen der künftigen Judenpolitik machte<br />

deutlich, daß auch im Referat D nicht bloß die Aufgabe der Entfernung von einer<br />

90 ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 561.<br />

91 Indem er engere Beziehungen zu den Arabern forderte, signalisierte von Neurath keineswegs das<br />

Ende der bisherigen Weigerung des Deutschen Reiches, die arabische Sache in Palästina diplomatisch<br />

oder materiell zu unterstützen. Gemäß den Richtlinien sollte „das deutsche Verständnis <strong>für</strong> die<br />

arabischen nationalen Bestrebungen deutlicher als bisher, jedoch ohne bestimmte Zusicherungen"<br />

bekundet werden; vgl. Nicosia, Third Reich, Kap. 5-7 und 9.<br />

92 ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 564.

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