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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 425<br />

neuen Form am „nationalen Geschehen" teilnehmen, und die Übertragung der<br />

Regierungsbildung an Hitler löste bei den meisten Ergriffenheit und Begeisterung<br />

aus.<br />

Die Vorgänge in Schulpforta mußten jedoch Weiterblickenden als böses Vorzeichen<br />

<strong>für</strong> das zukünftige Schicksal der Traditionsschulen gelten. Hitlers zahlreiche<br />

Bekenntnisse zu preußischen Werten, Christentum und Humanismus hatten Gutgläubige<br />

lange getäuscht, die nun teils zu bedrückenden Einsichten kamen, teils aber<br />

weiterhin verbissen an ihren Hoffnungen auf eine „nationale Erneuerung" festhielten.<br />

Der Druck, der von außen auf die Schulen ausgeübt wurde, verstärkte sich, und<br />

dabei kam es am Joachimsthalschen Gymnasium in Templin zu einer Kraftprobe, die<br />

durch Schülerreaktionen ausgelöst wurde.<br />

Der Rektor, wegen seiner politischen Vergangenheit vielfach angefeindet,<br />

bemühte sich nach dem 30. Januar 1933 auffällig, die innere und äußere Anteilnahme<br />

der Schule „an den großen Tagen der Nation und den großen Kundgebungen<br />

der NSDAP" zu dokumentieren 53 . Alle Jungen gehörten der HJ bzw. dem<br />

Jungvolk an. Wachsame Beobachter bemerkten jedoch, daß die Internatsordnung<br />

nur wenige Änderungen erfahren hatte, die Morgenandachten weiterhin gehalten<br />

wurden und die nationalsozialistische Ausrichtung der Jugend durch die HJ in die<br />

Geschlossenheit der Internatsgemeinschaft nicht in dem gewünschten Grad eindringen<br />

konnte. Der örtliche Bannführer beschloß daher, durch eine öffentliche Herausforderung<br />

die Verhältnisse zu klären. Er befahl <strong>für</strong> den 25. April 1935, unmittelbar<br />

nach Beginn des neuen Schuljahrs, einen Appell, an dem etwa 350 Jungen teilnahmen,<br />

davon etwa 130 Internatschüler. Die Forderungen der HJ waren bereits vorher<br />

bekanntgegeben worden, sie verlangten u. a. die Errichtung eines eigenen Fahnenmastes<br />

auf dem Schulgelände, die Absetzung des Rektors und „zur Erlernung der<br />

Volksgemeinschaft" die Eingliederung der Joachimsthaler Schüler in gemischte Einheiten<br />

mit der Stadt- und Landjugend.<br />

Obwohl in der Ansprache des Bannführers der Name des Schulleiters nicht fiel,<br />

war es den älteren Jungen doch klar, gegen wen sich die maßlosen Ausfälle richteten<br />

54 . Am gleichen Tage wurde zu einem zweiten Appell befohlen, nachdem die Jungen<br />

Zeit gehabt hatten, das Gehörte untereinander zu besprechen. Ziel des Unternehmens<br />

war aber nicht die Warnung, sondern die Entscheidung, wie es den<br />

dezisionistischen politischen Methoden der Nationalsozialisten entsprach. Daher<br />

53 S. Joost, S. 164. Dr. Joost, Schriftführer der Vereinigung alter Joachimsthaler, hat sich während seiner<br />

Tätigkeit nach dem Krieg als ltd. Bibliotheksdirektor im Geh. Staatsarchiv in Berlin darum<br />

bemüht, zufällig auftauchende Dokumente aus der Geschichte des Gymnasiums, das er selbst von<br />

1929-35 als Alumne besuchte, zu sammeln. Er setzte damit die Tradition der Schule, die seit langem<br />

in enger Verbindung zu Berliner Akademien und Bibliotheken stand, fort, und es ist ihm zu danken,<br />

daß als einzige der hier behandelten Schulen das Joachimsthalsche Gymnasium eine bis 1945 reichende<br />

Geschichte vorgelegt hat. Die hier behandelten Ereignisse wurden von Dr. Joost in der AMJ<br />

N. F., H. 59 f. (1984) berichtet und dokumentiert.<br />

54 Das geht aus verschiedenen Zuschriften an die AMJ im Zusammenhang mit den veröffentlichten<br />

Erinnerungen und Dokumenten hervor.

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