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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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442 Marianne Doerfel<br />

und im Einvernehmen mit der Schulaufsichtsbehörde den Direktor berief. Das<br />

Internat hatte über 70 Plätze, war aber selten voll belegt. Die Schule war bis kurz<br />

nach dem Ersten Weltkrieg ein humanistisches Gymnasium und seit Mitte des 19.<br />

Jahrhunderts auch Tagesschülern aus der Stadt Brandenburg zugänglich.<br />

Eine „gelehrte" Schule im eigentlichen Sinne war die Ritterakademie nicht, denn<br />

das traditionelle Berufsziel war Offizier oder Landwirt, <strong>für</strong> Laufbahnen im Staatsdienst<br />

folgte dann das juristische Studium. Die adlige Exklusivität war im 19. Jahrhundert<br />

aufgehoben worden. Die meisten Zöglinge kamen vom Lande und hatten<br />

vielfach vorher Hausunterricht. Besonders von Familien mit mehreren Söhnen<br />

wurde die Ritterakademie als Internatsschule gern gewählt, da Brüder Ermäßigungen<br />

erhielten und märkische Familien auf Grund ihrer Pflichtbeiträge etwa 20%<br />

weniger zahlten als andere.<br />

In ihrer Erziehungspraxis folgte die Ritterakademie den gleichen Grundsätzen<br />

wie die anderen hier behandelten Traditionsschulen: gegenseitige Selbsterziehung<br />

durch eine altersmäßig strukturierte Schülerselbstverwaltung mit einem gewählten<br />

„Senior", der Aufsichtspflichten im Internat wahrzunehmen hatte. Einfachheit in der<br />

Ausstattung der Räume", in der Kleidung, im Essen und in dem, was wir heute<br />

Freizeitangebot nennen, war hier fast noch ausgeprägter als an anderen Schulen.<br />

Verglichen etwa mit der ehemals königlichen Stiftung Joachimsthal nahm sich die<br />

Ritterakademie eher bescheiden aus; auf Fecht- und Reitunterricht wurde aus<br />

Kostengründen von Anfang an verzichtet. Der König hatte wohl gelegentlich kleine<br />

Zuschüsse gewährt, an eine größere Modernisierung war aber nie zu denken gewesen.<br />

Das wirkte sich in erster Linie bei der Stellenbesetzung aus: an guten Lehrern<br />

fehlte es häufig, und die musischen Interessen führten ein Schattendasein; im Sport<br />

stand das Rudern im Vordergrund, da Dom und Burg Brandenburg unmittelbar an<br />

einem Havelarm lagen.<br />

Der von 1921 bis 1934 amtierende Direktor, der auch Geschichtsunterricht<br />

erteilte, galt als ausgezeichneter Lehrer, allerdings nicht als gleich guter Erzieher.<br />

Sein politisches Engagement galt der nationalen Rechten, und in einem 1941 verfaßten<br />

Rückblick wird er als „energischer Vorkämpfer nationaler Ziele" bezeichnet, der<br />

„an hervorragender Stelle in Brandenburg der NSDAP den Weg zur Macht ebnete",<br />

100 . Nach der Machtergreifung ging „daher der erste Marsch der SA und des<br />

Stahlhelms zur Ritterakademie", wo sie durch den Direktor feierlich begrüßt wurden.<br />

Nach den Aussagen ehemaliger Schüler fand jedoch keine unmittelbare Beeinflussung<br />

zugunsten der NS-Bewegung statt. Obwohl später darauf hingewiesen<br />

wurde, daß der erste Hitlerjunge ein Schüler der Ritterakademie war und der erste<br />

HJ-Führer - ein Diener - gleichfalls zur Ritterakademie gehörte, spielt in den Erinnerungen<br />

der älteren Schüler die Politik keine hervorragende Rolle. „Wir hatten ein<br />

verhältnismäßig beschränktes Weltbild und ein einseitiges politisches Wissen von der<br />

99 Die Schule wurde erst 1934 an die städtische Wasserleitung angeschlossen, beheizt wurden nur die<br />

Wohnräume, „in den langen Gängen zog es immer", berichtet ein ehemaliger Schüler.<br />

100 Die Ritterakademie auf dem Dom zu Brandenburg, 1941, S. 6 (Broschüre).

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