Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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516 Jacques Bariéty<br />
I.<br />
Nun ist es bereits vier Jahre her, daß Peter Krüger sein grundlegendes Buch >Die Außenpolitik<br />
der Republik von Weimar< veröffentlicht hat, und nach wir vor erregt es die Aufmerksamkeit<br />
der internationalen Gemeinschaft der Zeithistoriker.<br />
Zunächst wohl deshalb, weil es die erste Synthese seit der Darstellung Ludwig Zimmermanns<br />
aus dem Jahre 1958 ist 1 . Dessen Werk basierte bereits auf einer guten Kenntnis der<br />
Archive, wodurch es <strong>für</strong> lange Zeit zu einem nützlichen Standardwerk der Ereignisgeschichte<br />
wurde. Sein interpretativer Grundzug war gewiß konservativ, ja ausgeprägt „national", doch<br />
dies war durchaus von Interesse <strong>für</strong> den Historiker, gab das Werk doch Aufschlüsse über<br />
bestimmte Grundtendenzen eines Auswärtigen Amtes, das Zimmermann gut gekannt hatte.<br />
27 Jahre später erscheint das meisterhafte Buch Peter Krügers ausgesprochen originell. Vorweg<br />
sei gesagt, daß es sich um ein Werk von sehr großem Wert handelt, was aber einige kritische<br />
Anmerkungen meinerseits nicht ausschließt. Mein Urteil basiert auf folgenden Gründen:<br />
1. Krüger gelang es, die enorme Flut an wissenschaftlichen Arbeiten zu bewältigen und zu<br />
verarbeiten, die seit dreißig Jahren vor allem in Deutschland und in den USA über die Außenpolitik<br />
der Weimarer Republik veröffentlicht wurden, meist in Form von Teilstudien zu besonderen<br />
Aspekten oder zu bestimmten Phasen dieser Politik. 2. Er hat durch seine langjährige<br />
Arbeit im Auswärtigen Amt als Mitherausgeber der Akten der „Wilhelmstraße" eine sehr<br />
gründliche Kenntnis der deutschen Archive 2 . 3. Der Autor begnügte sich nicht damit, ausgehend<br />
von den vorliegenden Studien und seiner genauen Kenntnis der Archive eine Synthese<br />
zu erarbeiten, er entwickelte eine eigene, neue Interpretation der Weimarer Außenpolitik,<br />
zumindest <strong>für</strong> die zentrale Phase von Ende 1923 bis Ende 1929, während der Gustav Stresemann<br />
- assistiert (und zuweilen inspiriert? 3 ) von seinem gleichermaßen loyalen wie effizienten<br />
Staatssekretär Carl von Schubert - deutscher Außenminister war.<br />
Der Titel des Buchs ist bezeichnend: Die Außenpolitik der Republik von Weimar. Dem<br />
Wort „Republik" wird besondere Bedeutung beigelegt. Nachdem man das Buch gelesen hat,<br />
versteht man die Absicht: Die Untersuchung der Außenpolitik erfolgt in enger Verbindung mit<br />
der Analyse der Innenpolitik, der Innenpolitik einer Republik. Das läßt den Leser sofort an<br />
eine andere deutsche Republik denken, ein Bezug, der im letzten Satz des Buches augenfällig<br />
wird: „Und wenn heute soviel von Kontinuität der deutschen Geschichte die Rede ist, von<br />
Bismarck zu Hitler etc. ... : von der Locarno-Politik zur Außenpolitik der Bundesrepublik,<br />
das ist auch eine." 4<br />
Nachdruck und Ehrlichkeit dieser grundsätzlichen Erklärung des Autors wecken durch die<br />
Offenheit, mit der sie vorgebracht wird, Sympathie beim Leser. Doch vielleicht liegt hier auch<br />
einer der kritisierenswertesten Punkte des Buches. Ist es notwendig, immer in den Begriffen<br />
von Kontinuität und Diskontinuität zu räsonieren? Diese Art der Annäherung an die deutsche<br />
<strong>Zeitgeschichte</strong> hat die deutsche Historiographie bekanntlich durch Jahrzehnte geprägt - bis<br />
zur Obsession in den Augen französischer Historiker -, und zwar aus offenkundig historischen,<br />
spezifisch deutschen Gründen (Wie soll man die Jahre 1933 bis 1945 erklären?). Vielleicht<br />
ist die Zeit gekommen, jede Periode der deutschen <strong>Zeitgeschichte</strong> ihrem spezifischen<br />
1 Ludwig Zimmermann, Deutsche Außenpolitik in der Ära der Weimarer Republik, Göttingen 1958.<br />
2 Editorengruppe „Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945". Diese Publikationsreihe,<br />
die im Jahre 1945, als die deutschen Archive unter Zwangsverwaltung standen, von den Alliierten<br />
begonnen wurde, ist auf Vorschlag der Bundesregierung zu einem internationalen Projekt geworden,<br />
nachdem diese Archive 1959 an die Bundesrepublik zurückgegeben wurden. 58 Bände sind<br />
bereits veröffentlicht worden (1918-1922 und 1926-1945). Die Dokumente der Jahre 1923-1925,<br />
die <strong>für</strong> unser Thema von erstrangiger Bedeutung sind, werden bald ebenfalls veröffentlicht werden.<br />
3 Persönliche Anmerkung des Rezensenten.<br />
4 Krüger, Außenpolitik, S. 555.