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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Literatur 537<br />

Rede, die Otto Wels am 23. März im Reichstag hielt, bleiben als Zeugnisse der Tradition von<br />

Anständigkeit und Demokratie in der SPD, einer Tradition, die dann 1945 wieder auftauchte.<br />

Ansonsten war die Niederlage total.<br />

Hätte die Arbeiterbewegung mehr tun können, um Hitler zu stoppen? Die Frage gilt<br />

eigentlich der SPD, da die KPD in der parlamentarischen Demokratie nichts Bewahrenswertes<br />

sah. Und die Sozialdemokraten hatten - ein wichtiger Faktor in der Politik - gewiß auch<br />

Pech, vor allem wenn man den frühen Tod von Ebert, Legien und Müller bedenkt. Hätte die<br />

Bundesrepublik ohne die Langlebigkeit Konrad Adenauers so leicht zu ihrer Stabilität gefunden?<br />

Der SPD fehlte sicherlich die mitreißende Führung, und da<strong>für</strong> mag ihre Organisation<br />

verantwortlich gewesen sein. Wenn britische Besucher aus der Labour Party nach Deutschland<br />

kamen, waren sie stets tief beeindruckt von der üppigen administrativen Struktur der deutschen<br />

Schwesterpartei, doch kann Bürokratie auf Initiative lähmend wirken. Winkler schreibt<br />

einige Schuld auch der deterministischen Ideologie der Partei zu, die weniger den energischen<br />

Einsatz als die Passivität begünstigt habe.<br />

Trotz aller solcher Argumente sollten wir uns jedoch davor hüten, neuen Mythen über die<br />

Arbeiterbewegung Raum zu geben, kaum daß einige der alten Mythen geplatzt zu sein scheinen.<br />

Daß es der SPD nicht gelang, die Demokratie in Deutschland zu schützen, ist kein<br />

Grund, Mängeln der Arbeiterbewegung eine größere Portion Verantwortlichkeit <strong>für</strong> den<br />

Zusammenbruch Weimars zuzuschreiben. Sozialdemokraten haben die Gefahr des Nationalsozialismus<br />

schon früh erkannt und ihr Bestes getan, um die Gefahr zu bekämpfen. Was ihnen<br />

fehlte, das waren Verbündete an anderen Stellen des politischen Systems. Die organisierte<br />

Arbeiterschaft stellte in der deutschen Gesellschaft einfach kein genügend großes Element dar,<br />

um die Last allein zu tragen; sie hätte das auch dann nicht leisten können, wenn sie geeint<br />

gewesen wäre, was sie aber nicht war. Winkler weist mit Recht darauf hin, welchen Schaden<br />

die klassenkämpferische Rhetorik der SPD in ihren Beziehungen zu anderen Gruppen angerichtet<br />

hat, doch ist zweifelhaft, ob selbst eine eindeutige Festlegung auf die Rolle der „staatstragenden<br />

Volkspartei" anderswo in Staat und Gesellschaft entsprechend gewürdigt worden<br />

wäre. Wer <strong>für</strong> eine verantwortungsbewußte Politik der Zusammenarbeit mit anderen republikanischen<br />

Parteien eintrat, fand in entscheidenden Momenten wenig Entgegenkommen bei<br />

Repräsentanten der Schwerindustrie, bei der hohen Bürokratie oder bei den Anhängern nationaler<br />

Bewegungen des protestantischen Mittelstands. Selbst die katholischen Organisationen<br />

waren am Ende eher zum Gespräch mit Hitler bereit als zur Kollaboration mit der „Eisernen<br />

Front". Man darf auch nicht vergessen, daß Deutschlands westliche Nachbarn bedrückend<br />

große Bereitwilligkeit an den Tag legten, Hitler zu beschwichtigen, dagegen erheblich mehr<br />

Zurückhaltung zeigten, als es darum gegangen wäre, Ebert den Weg zu ebnen. Winkler macht<br />

die treffende Beobachtung, daß 1923 und 1924, bei der Überwindung der damaligen Weimarer<br />

Wirtschaftskrisen, Wandlungen im internationalen Klima fast ebenso wichtig waren wie<br />

die Vorgänge in Berlin.<br />

Winklers Werk stellt <strong>für</strong> alle, die an dieser entscheidend wichtigen Periode in der<br />

Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung interessiert sind, eine Fundgrunde dar. Es wird<br />

auch zweifellos die Forschung auf neue Wege führen. Es gibt immer noch Bereiche, über die<br />

Winkler - selbst in dieser erschöpfenden Studie - relativ wenig zu sagen vermag, z. B. über die<br />

sozialistische Presse. Nicht zuletzt aber zollt das Werk wackeren und anständigen Männern<br />

und Frauen Tribut, die in außergewöhnlich schwieriger Zeit <strong>für</strong> ihre Familien und <strong>für</strong><br />

Deutschland ihr Bestes taten. Für sie ist es in der Tat ein würdiges Denkmal.<br />

Anthony J. Nicholls<br />

St. Antony's College, Oxford

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