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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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528 Anthony J. Nicholls<br />

ren waren in ihrer Gegnerschaft eher isoliert, was vielleicht in den bisherigen Arbeiten nicht so<br />

klar herausgestellt wurde. In einem Auszug aus seiner Wienken-Biographie, betitelt „Episkopat<br />

und T4", beleuchtet Martin Höllen die katholische Seite. Darin wird klar, daß die zaghafte<br />

Art und Weise, in der die Kirche in Deutschland mit der „Euthanasie"-Frage umging,<br />

erst mit der Stellungnahme Roms ihr Ende fand. Damit wird die Legende von der mannhaften<br />

Einstellung des katholischen Episkopats gegenüber der „Aktion T4" widerlegt.<br />

Die Entstehungsgeschichte des Propagandafilms „Ich klage an", beschrieben von Karl<br />

Heinz Roth, zeigt, welche Hindernisse die NS-Bürokratie auf dem Weg zu einer reibungslosen<br />

Vernichtung von Kranken vor sich sah und wie sie diese zu überwinden gedachte. Ein<br />

wichtiger Beitrag ist der Aufsatz von Stanislaw Klodzinski über den Transport von 575 Auschwitzer<br />

Häftlingen - Polen und einige Deutsche - in eine Mordanstalt bei Dresden. Dies<br />

geschah bereits im Rahmen der „Aktion Hfl 3", auf die auch in anderen Beiträgen eingegangen<br />

wird.<br />

Ernst Klee ist mit einem Auszug aus seinem Buch „Euthanasie im NS-Staat" über die Rolle<br />

der „Aktion T4" bei der Judenvernichtung vertreten. Eigentlich bringt er nichts Neues, wissen<br />

wir doch bereits seit geraumer Zeit, daß die „Euthanasie"-Täter einen beträchtlichen Teil der<br />

„Aktion Reinhard"-Mörder stellten und daß die Technik der „Aktion T4" bei den Judenmorden<br />

der „Reinhard-Aktion" angewandt wurde. Mehr weiß auch Klee nicht zu berichten. Götz<br />

Alys Beiträge dagegen sind ziemlich eindrucksvoll. Sie beschreiben den Zusammenhang zwischen<br />

Modernisierung - in diesem Fall der Hirnforschung - und Massenmord sowie den<br />

Zusammenhang zwischen dem schlichten Bettenbedarf in den Heilanstalten und den Massenmorden:<br />

Es wurden Kranke ermordet, einfach um freie Plätze zu schaffen! Untersuchungen<br />

von Martin Hamann über die Ermordung geisteskranker Ostarbeiter und von Marianne<br />

Hühn über den Spezialfall der Wittenauer Heilanstalten schließen den Band ab.<br />

Die Beiträge des Sammelbandes haben nicht alle das gleiche Niveau. Dessen allgemeine<br />

These lautet, wie schon erwähnt, daß es die nationalsozialistische Sozialpolitik war, die den<br />

Rahmen <strong>für</strong> die Massenmorde bot; demgegenüber tritt das ideologische Moment zurück. Die<br />

Wurzeln dieser Sozialpolitik seien in der Art und Weise zu suchen, in der die Modernisierung<br />

in Deutschland vor sich ging. Das Dritte Reich erscheint nur als ein besonders krasses und<br />

mörderisches Stadium in einer Entwicklung, die heute noch fortdauert. Diese These muß<br />

gewiß ernsthaft erwogen werden, doch die Entgegenstellung von Sozialpolitik und Ideologie<br />

erscheint überspitzt. Ist die „Euthanasie" wirklich ohne den Hintergrund der nationalsozialistischen<br />

Ideologie denkbar? Andererseits: Ideologien schweben nicht in einem leeren Raum,<br />

die nationalsozialistische Ideologie war ein Produkt der vorangegangenen historischen Entwicklung.<br />

Gleiches kann man über den Holocaust sagen: Der Mord an den Juden existierte<br />

embryonal bereits in Schriften und Gedankengängen des 19. Jahrhunderts, mörderische Sozialpolitik<br />

lieferte den Rahmen. Und doch bedurfte es, so scheint es, einer mächtigen ideologischen<br />

Anregung seitens der „true believers" (Christopher R. Browning), um diese Gedanken in<br />

Geschosse aus Maschinengewehren und Gaskristalle zu verwandeln. Die „Euthanasie"-Aktion<br />

war als Hintergrund des Holocaust und als Durchgangsstadium zum Mord von größter<br />

Bedeutung, eine Erklärung <strong>für</strong> den Holocaust ist sie aber nicht. Dennoch haben Götz Aly und<br />

seine "Mitarbeiter mit ihren halb wissenschaftlichen, halb populären Studien eine unentbehrliche<br />

Grundlage <strong>für</strong> eine profunde und intelligente Diskussion gelegt.<br />

Yehuda Bauer<br />

The Hebrew University Jerusalem<br />

III.<br />

Ich habe Heinrich-August Winklers dreibändiges Werk >Arbeiter und Arbeiterbewegung in der<br />

Weimarer Republik< bereits an anderer Stelle als „monumental" charakterisiert (Weimar and

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