Anhang - Institut für Zeitgeschichte
Anhang - Institut für Zeitgeschichte
Anhang - Institut für Zeitgeschichte
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Literatur 543<br />
Phänomen, das an sich zu erklären wäre - schließlich als Beweis <strong>für</strong> die Unfähigkeit der<br />
„dominant classes" herhalten muß, einen eigenen „bloc" zu formieren, der auf der Basis von<br />
„mass support" hätte regieren können, welchen Abraham <strong>für</strong> unabdingbar hält. Vollkommen<br />
ausgeblendet bleibt die Möglichkeit des Regierens ohne breite Unterstützung. Aber genau das<br />
wäre ohne weiteres möglich gewesen, wenn Reichspräsident Hindenburg dem zuerst von<br />
Papen im November 1932, dann von Schleicher im Januar 1933 gemachten Vorschlag zugestimmt<br />
hätte, den Reichstag aufzulösen, ohne - wie es die Verfassung vorsah - Neuwahlen<br />
anzusetzen, und zwar deshalb, damit die Regierung in die Lage versetzt würde, nach autoritärem<br />
Muster mittels Notverordnungen des Präsidenten zu regieren, um auf diese Weise die<br />
Nationalsozialisten so lange in Schach zu halten, bis ihnen ihre Anhängerschaft angesichts der<br />
besser werdenden Wirtschaftslage davonzulaufen begänne.<br />
An einigen Stellen des Buches tritt das Desinteresse Abrahams an der Frage hervor, welche<br />
unmittelbar nachweisbare praktische Rolle die deutsche Industrie beim Untergang der Weimarer<br />
Republik und beim Aufstieg Hitlers gespielt haben könnte. Gleichwohl wird in manchen<br />
Passagen beider Ausgaben prominenten Vertretern der Schwerindustrie, individuell und als<br />
Gruppe, die Hauptverantwortung da<strong>für</strong> zugeschrieben: „Eventually, the members of the once<br />
dominant bloc ,decided' for fascism", erfährt der Leser in der 2. Auflage auf S. 41. Auf S. 277<br />
wird dem Leser gesagt, 1932 „the industrialists finally turned to the Nazis", und auf S. 314 finden<br />
wir dieses Resümee: „The bourgeoisie saw no way out of the crisis; it decided ,consciously'<br />
in favour of the Nazis." Ungeachtet einmal der Tatsache, daß <strong>für</strong> diese Behauptungen<br />
keine plausiblen Beweise vorgelegt werden, stellen diese Äußerungen eine voluntaristischpersonalistische<br />
Erklärung dar, die in krassem Gegensatz zu Abrahams nicht-personaler, fast<br />
mechanistischer Hauptthese steht. Das führt dazu, daß die Studie nicht einmal zu einer in sich<br />
geschlossenen Interpretation findet.<br />
Im Vorwort zur 2. Auflage gibt Abraham die selbstbewußte Erklärung ab, daß keine der<br />
umfangreichen Korrekturen, die er in Reaktion auf seine Kritiker vorgenommen habe, ihn<br />
dazu veranlaßt habe, die Grundthesen seines Buches zu ändern. Das stimmt, aber aus Gründen,<br />
die er nicht begreift: Die notwendig gewordenen Korrekturen an seiner Präsentation des<br />
Quellenmaterials bedingten deshalb keine Revidierung der Thesen, weil sein Buch keine empirische<br />
Studie ist und nie eine gewesen ist. Vielmehr ist es eine Arbeit, in der die dokumentarischen<br />
Belege selektiv verwendet werden, um deduktiv gewonnenen Thesen Plausibilität zu<br />
verleihen.<br />
Wäre Abraham empirisch vorgegangen, dann wäre er mit einer Flut von Beweismaterial<br />
konfrontiert worden, die seine deduktive und reduktionistische Interpretation in vielen Punkten<br />
unhaltbar gemacht hätte. Unter empirischer Prüfung lösen sich die Kategorien, mit denen<br />
er arbeitet, nämlich auf. Infolge der Entstehung großer Konzerne, die eine weitgefächerte.<br />
Palette von Produkten herstellten, paßt nur wenig von der weitverzweigten deutschen Industrie<br />
der zwanziger und dreißiger Jahre in solche abstrakten Kategorien wie „Schwerindustrie"<br />
oder „Exportindustrie". Auch waren keineswegs alle Produktionszweige, die Abraham<br />
unter diesen beiden Kategorien rubriziert, im Bereich der Schwerindustrie durchgängig „stagnierend"<br />
oder, im Falle der Exportindustrie, „dynamisch". Außerdem definieren durchaus<br />
nicht alle Firmen einer bestimmten Branche ihre ökonomischen Interessen in gleicher Weise,<br />
genausowenig beurteilen sie die politische Lage alle gleich. Sogar einzelne Manager derselben<br />
Firma können in diesen Fragen diametral verschiedener Auffassung sein. Was schließlich<br />
Abrahams Behauptung angeht, ein gemeinsamer „bloc" von Exportindustrie und Arbeitnehmergruppierungen<br />
habe die Weimarer Republik zwischen 1925 und 1930 beherrscht, so zeigt<br />
ein Blick in die Sekundärliteratur, daß die politischen Strukturen Weimars so simpel nicht<br />
waren. Es hätte genügt, die vorliegenden Studien und Dokumente nur ein wenig zu beachten,<br />
um die Auffassung zu entkräften, die Beziehungen zwischen industriellen und agrarischen<br />
Interessen hätten sich 1932 verbessert. Das gleiche gilt <strong>für</strong> die auf S. 312 geäußerte Ansicht,<br />
„general support for the Nazis grew throughout the summer and reached a crescendo in late