Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Renaissance und Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltung in der SBZ 491<br />
Trotz der bereits im Jahre 1945 von der KPD und den Initiativgruppen vorgenommenen<br />
politischen Weichenstellung blieben die Städte in der SBZ während des<br />
Prozesses der Durchsetzung des „demokratischen Zentralismus" noch mehrere<br />
Jahre lang weitgehend selbstverwaltet und relativ unabhängig 119 . Zur Bewältigung<br />
der enormen materiellen und sozialen Probleme gab es, bei allem ideologischen<br />
Vorbehalt der KPD/SED gegenüber der bürgerlich-demokratischen Selbstverwaltungstradition,<br />
anfangs gar keine andere Möglichkeit, als die kommunale Eigeninitiative<br />
vor Ort nutzbar zu machen und sie vorübergehend auch politisch zu tolerieren.<br />
Beachtlich sind auch die bis Ende der vierziger Jahre sowohl in den Landes- wie<br />
auch in den Stadtparlamenten geführten offensiven Auseinandersetzungen zwischen<br />
der SED einerseits und CDU und LDP andererseits. Zentrale Punkte der Auseinandersetzungen<br />
waren die Einbeziehung der sogenannten Massenorganisationen und<br />
später auch der neugegründeten Parteien DBD und NDP, vor allem aber die zunehmende<br />
politische und administrative Einengung der kommunalen Selbstverwaltung.<br />
Als deren Anwalt traten in programmatischen Äußerungen CDU und, noch dezidierter,<br />
LDP auf. Die SED dagegen wandte sich auf der 3. Tagung ihres kommunalpolitischen<br />
Beirats im Mai 1948 in Eisenach gegen einen „Selbstverwaltungsstaat".<br />
Sie pries nun die „durch das Volk ausgeübte demokratische Staatsgewalt mit einem<br />
einheitlichen Verwaltungsvollzug" 120 . Walter Ulbricht kritisierte auf der ersten<br />
staatspolitischen Konferenz der SED am 23./24. Juli 1948 in Werder an der Havel<br />
in seinem grundlegenden Referat über „Die gegenwärtigen Aufgaben unserer demokratischen<br />
Verwaltung" die Auffassung, in der SBZ bestünde eine kommunale<br />
Selbstverwaltung bürgerlich-demokratischer Prägung: „Wir haben im Lande keine<br />
Selbstverwaltung. Die kommunale Selbstverwaltung ist ein Teil unserer demokratischen<br />
Staatsverwaltung. Man soll keine Theorien aufstellen, als ob die kommunale<br />
Selbstverwaltung aus unserer Gesamtverwaltung herausgelöst und der Staatsverwaltung<br />
nebengeordnet sei... Wir müssen uns darüber im Klaren sein, daß wir nicht<br />
Losungen, die früher unter den Bedingungen der kapitalistischen Staatsgewalt richtig<br />
waren, auf die gegenwärtige Ordnung übernehmen ..." 121 . Gegen diese Angriffe<br />
auf die <strong>Institut</strong>ion städtischer Selbstverwaltung kam es selbst innerhalb der SED zu<br />
Opposition; sie wurde allerdings - wie etwa von den Oberbürgermeistern Zeigner in<br />
Leipzig 122 und Albert Schulz in Rostock 123 - von ehemaligen Sozialdemokraten<br />
artikuliert.<br />
119<br />
Dieser Tatbestand wurde dem Verf. in Gesprächen mit ehemaligen Kommunalpolitikern der SBZ<br />
immer wieder bestätigt, so z.B. von dem Bürgermeister von Zittau, Dr. Hans Bender (vgl.<br />
Anm. 100), der Dezernentin <strong>für</strong> Volksbildung der Stadt Weimar, Esther-Maria von Coelln (vgl.<br />
Anm. 85), sowie von Frau Maria Eichelbaum, geb. Gadow, die 1946-1948 Mitgl. der CDU-Fraktion<br />
im Leipziger Stadtrat und dort Vorsitzende des Sozialausschusses gewesen war (Interview in<br />
St. Peter-Ording am 15. März 1983).<br />
120<br />
Zwei Entschließungen des Kommunalpolitischen Beirats auf der Eisenacher Tagung, in: Demokratischer<br />
Aufbau, 1948, S. 149 f.<br />
121<br />
Walter Ulbricht, Die gegenwärtigen Aufgaben unserer demokratischen Verwaltung, in: Zur<br />
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. III, Stuttgart 1953, S. 275.<br />
122<br />
Vgl. Koppelmann, Ringen um die Staatsorgane, S. 172.<br />
123 Vgl. Rackow, Grundlagen der Kommunalpolitik, S. 167.