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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 437<br />

VI.<br />

Unter den Heimschulerlaß fiel auch die Klosterschule Roßleben in Thüringen. Der<br />

Stifter, Dr. Heinrich v. Witzleben, hatte ihren Wahlspruch dem Vorbild St. Afra<br />

angepaßt: „Deo, Patriae, Litteris". Die Stiftung war fast ununterbrochen im Familienbesitz<br />

und wurde durch einen aus der Familie gewählten Erbadministrator verwaltet.<br />

Bei ihm lag die Berufung von Rektoren und Lehrern, in neuerer Zeit im Einvernehmen<br />

mit der Schulaufsichtsbehörde in Magdeburg. Es bestanden 17 Freistellen,<br />

die von vier Linien der Familie v. Witzleben vergeben wurden, und 16 ermäßigte<br />

Stellen, bei insgesamt etwa 140 Internatsplätzen. Die Rechte der Stiftung wurden<br />

1929 vertraglich neu festgelegt und der Bestand des Stiftungsvermögens dadurch<br />

weiterhin gesichert 85 .<br />

Als humanistisches Gymnasium fand sich die Schule während der Weimarer<br />

Republik vor ähnlichen Nachwuchsschwierigkeiten wie die übrigen Schulen gleichen<br />

Typs, und es wurde ihr daher ein realgymnasialer Zweig angefügt. Dazu kam<br />

eine bis dahin nicht vorhandene Unterstufe <strong>für</strong> Kinder aus Roßleben und Umgebung,<br />

die sie auf den Eintritt in die Klosterschule vorbereiten sollte. Der Anteil der<br />

aus dem Dorf Roßleben kommenden Tagesschüler betrug etwa 20%.<br />

Bei der Berufswahl hatten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts Theologie und Jurisprudenz<br />

an der Spitze gelegen, dann trat der Militärdienst in den Vordergrund, bis<br />

nach 1900 wieder zivile Berufe überwogen. Die Theologie verschwand von da an<br />

ganz, und statt dessen wurden technische oder kaufmännische Berufe gewählt. Auch<br />

der prozentuale Anteil von Schülern aus dem Adel schwankte im Lauf der Jahrhunderte<br />

stärker als an den Fürstenschulen; 1929 lag dieser Anteil mit 65 der insgesamt<br />

174 Schüler verhältnismäßig hoch.<br />

Erziehungsziel und Bildungsideal waren vom christlichen Humanismus bestimmt,<br />

ohne daß ein den Fürstenschulen vergleichbarer wissenschaftlicher Elitestatus angestrebt<br />

wurde 86 . Die Nachfahren des Stifters standen in einer stark vom lutherischen<br />

Sozialethos bestimmten Tradition und sahen den Erziehungsauftrag vor allem in der<br />

Charakterbildung und der Erziehung zur Selbstverantwortung als Christ. An der<br />

evangelisch-lutherischen Ausrichtung der Stiftung wurde auch während der nationalsozialistischen<br />

Jahre konsequent festgehalten. Dank ihrer Autonomie als Privatschule<br />

hatte die Kontinuität in der Weimarer Republik keine Unterbrechung erfahren,<br />

und die schweren wirtschaftlichen Bedrohungen durch die Inflation konnten<br />

mit Hilfe ehemaliger Schüler abgewendet werden 87 . Diese Kontinuität wurde in<br />

erster Linie durch das Amt des Erbadministrators gesichert, das von 1916 bis 1942<br />

nominell in der gleichen Hand lag, 1932 aber de facto von einem jüngeren Mitglied<br />

85 Vortrag Hubertus v. Witzleben in der Internatsschule Louisenlund 1984.<br />

86 Ebenso wie aus den Fürstenschulen gingen aus Roßleben aber auch eine Reihe angesehener Pädagogen<br />

hervor: E. A. P. Fabarius, Gründer der Deutschen Kolonialschule Witzenhausen,<br />

J. Fr. Hoffmann, Direktor des Gymnasiums z. Grauen Kloster, Berlin, A. Nebe, Rektor des Joachimsthalschen<br />

Gymnasiums und Schöpfer der Neuanlage in Templin.<br />

87 Mündl. Mitteilung von H. v. Witzleben, Berlin, 1986.

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