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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Literatur 529<br />

the Workers, in: Times Literary Supplement, 17.-23. März 1989, S. 283). Es handelt sich<br />

sowohl um eine Geschichte Weimars, in der die entscheidenden Stadien in der Entwicklung<br />

jener unglücklichen Republik scharf beleuchtet werden, wie auch um eine Darstellung der<br />

sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien, ihrer Anhänger und ihrer Verbündeten<br />

in den Gewerkschaften. Wer immer sich mit der jüngsten deutschen Geschichte beschäftigt,<br />

wird <strong>für</strong> die Fülle an Details über die politischen Ziele und Aktivitäten der Arbeiterparteien<br />

tief in Winklers Schuld stehen. Er verdient Dank auch da<strong>für</strong>, daß er sich den größeren Fragen<br />

stellt, mit denen uns die Geschichte Weimars konfrontiert. Ob wir seine Antworten annehmen,<br />

ist eine Sache der persönlichen Neigung, doch wird sie jedenfalls niemand, der sein<br />

Werk liest, ignorieren können.<br />

Wir leben in einer Zeit, in der Revolutionen unpopulär werden. In Großbritannien hat der<br />

Jahrestag von 1789 beträchtliche journalistische Feindseligkeit gegenüber den Jakobinern<br />

zutage gefördert, während das ancien regime offenbar als eine idyllische Epoche des wirtschaftlichen<br />

Wachstums und der sozialen Harmonie gesehen wird. Es gibt bereits Anzeichen<br />

da<strong>für</strong>, daß den russischen Revolutionen von 1917 bald die gleiche Behandlung zuteil werden<br />

wird. Was läßt sich dann also <strong>für</strong> die deutsche Novemberrevolution von 1918 sagen? Ihre Kritiker<br />

auf der Linken haben viele Jahre lang behauptet, daß diese Revolution eine halbherzige<br />

Sache gewesen sei und daß, hätten sich nur die Führer der Revolutionäre entschlossener<br />

gezeigt, eine feste Basis <strong>für</strong> die Demokratie geschaffen worden wäre, deren Fehlen Hitler den<br />

Weg zur Macht erleichtert habe. Das Problem war freilich, daß kein Konsens darüber<br />

herrschte, was denn die Führer eigentlich hätten machen sollen. Für Marxisten war die Antwort<br />

relativ einfach. Die Macht der herrschenden Klassen in Deutschland hätte durch Maßnahmen<br />

zur Expropriation, insbesondere gegen die ostelbischen Großgrundbesitzer und die<br />

Industriellen an der Ruhr gerichtet, angegriffen werden müssen. Auf der anderen Seite hätte<br />

mehr Macht den Arbeiter- und Soldatenräten eingeräumt werden sollen, um so den Einfluß<br />

konterrevolutionärer Kräfte wie des kaiserlichen Offizierskorps oder der höheren Beamtenschaft<br />

zu brechen. Nach einer extremen Version dieser Anschauung, favorisiert in der DDR,<br />

sind heroische Versuche der Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats zu errichten, von<br />

revisionistischen SPD-Führern sabotiert worden. Solch krude Übertreibung kommunistischer<br />

Aktivitäten war nur geeignet, einer gleichartigen Simplifizierung Nahrung zu geben, derzufolge<br />

Deutschland vor einer unmittelbar drohenden bolschewistischen Diktatur gerettet worden<br />

ist, und zwar in einer Situation, die sich ansonsten als beklagenswerter und unnötiger<br />

Zusammenbruch von Gesetz und Ordnung darbot.<br />

In den sechziger Jahren tauchten weniger grobe Interpretationen auf, gestützt auf seriöse<br />

Forschungen sowohl zu den Arbeiter- und Soldatenräten selbst wie zu den Vorgängen in der<br />

deutschen Sozialdemokratie. Jetzt hieß es, daß 1918/19 der „Sozialismus" nicht ernstlich zur<br />

Debatte gestanden habe, daß es im Machtkampf zwischen der deutschen Arbeiterbewegung<br />

und den Anhängern des alten Regimes vielmehr um die Demokratie gegangen sei. Ebert und<br />

seine Kollegen wurden nun deshalb streng verurteilt, weil sie es versäumt hätten, radikalere<br />

Schritte zur Demokratisierung des Landes zu unternehmen, weil ihre Einstellung zu den<br />

Räten zu vorsichtig, ja sogar feindselig gewesen sei und weil sie aus Kleinmut ein Bündnis mit<br />

der Obersten Heeresleitung geschlossen hätten, die ihrerseits über den größten Teil der Streitkräfte<br />

doch gar keine Kontrolle mehr gehabt habe. Es habe in der Tat - so wurde jedenfalls<br />

impliziert - die Gelegenheit gegeben, die während des Krieges aufgebrochene Spaltung der<br />

Arbeiterbewegung zu überwinden und dem Land mit Hilfe der Arbeiter- und Soldatenräte<br />

demokratische <strong>Institut</strong>ionen zu geben. Die Tatsache, daß dies nicht geschehen ist, wurde<br />

gewöhnlich den persönlichen Schwächen einzelner SPD-Führer zugeschrieben oder der deutlich<br />

isolierten politischen Kultur, in der deutsche Sozialisten vor 1918 gelebt hätten, einer Kultur,<br />

die sie von der Übernahme von Verantwortung abgehalten und sie zugleich in der Überzeugung<br />

bestärkt habe, daß <strong>für</strong> sie - die ja die Geschichte auf ihrer Seite hätten - positives<br />

Handeln überflüssig sei.

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