Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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458 Dieter Marc Schneider<br />
SBZ rascher als in den "Westzonen, es wurde auch eine Kommunalverfassung ausgearbeitet<br />
und in Kraft gesetzt, die als geradezu radikaldemokratisch bezeichnet werden<br />
muß. Indes wird zu zeigen sein, wie schnell der breite kommunalpolitische<br />
Handlungsspielraum auch und gerade von Sozialdemokraten und bürgerlichen<br />
Demokraten von der Besatzungsmacht und der KPD bzw. SED wieder eingeschränkt<br />
wurde und wie rigoros Gedanke und Praxis demokratischer Selbstverwaltung<br />
schließlich zerstört wurden.<br />
Bereits durch die verheerende Niederlage der österreichischen Kommunisten bei<br />
den Wahlen im Dezember 1945 und auch nachdem die SED bei den ersten Nachkriegswahlen<br />
1946 in der SBZ mit ihrem Stimmenanteil weit hinter den gestellten<br />
Erwartungen zurückgeblieben war, regten sich erste Zweifel an der Möglichkeit<br />
eines nationalen, von Moskau unabhängigen Weges zur Macht. Ab 1946/47 begannen<br />
die deutschen Kommunisten, sich wieder stärker an die Sowjetunion zu binden,<br />
und im Frühjahr 1948 verkündete der Chef der politischen Informationsabteilung<br />
der SMAD, Oberst S. Tulpanow, daß es keine gesonderten nationalen Wege zum<br />
Sozialismus geben könne 4 . Tulpanows Ausführungen standen im Zeichen des beginnenden<br />
Ost-West-Konflikts, der in der Verkündung der Truman-Doktrin im März<br />
1947 und in der Gründung des Kominform im September 1947 seinen unmißverständlichen<br />
Ausdruck fand. Die in dieser Nachfolgeorganisation der Komintern<br />
zusammengeschlossenen kommunistischen Parteien waren fortan aufgefordert, in<br />
erster Linie und bedingungslos die Interessen der Sowjetunion als der kommunistischen<br />
Führungsmacht zu verteidigen.<br />
Das entscheidende Ereignis, nach dem jede eigenständige Regung und nationale<br />
Orientierung einer europäischen kommunistischen Partei von Moskau und dem<br />
Kominform verurteilt und unterdrückt wurde, war der Ausbruch des sowjetischjugoslawischen<br />
Konflikts im Sommer 1948. Danach erfolgte die Umwandlung der<br />
SED in eine „Partei neuen Typs", die zum einen durch die Übernahme des bolschewistischen<br />
Organisationsprinzips des „demokratischen Zentralismus", zum anderen<br />
durch bedingungslose Anerkennung der führenden Rolle der KPdSU und der<br />
Sowjetunion charakterisiert war. Der ideologisch-programmatische Umwandlungsprozeß<br />
begann mit der Abkehr von der Theorie des deutschen Sonderweges zum<br />
Sozialismus, und Anton Ackermann widerrief seine Thesen in öffentlicher Selbstkritik<br />
5 .<br />
So wie die SED sich zu einer stalinistischen Partei wandelte, vollzog sich - analog<br />
zur Transformation der übrigen Staaten des sowjetischen Einflußbereichs in „Volksdemokratien"<br />
- auch ein Sowjetisierungsprozeß im Bereich der staatlichen <strong>Institut</strong>ionen.<br />
Dabei hatte auch die kommunale Selbstverwaltung als ein „Relikt des bürgerlichen<br />
Staates" zu verschwinden. Wie zu zeigen sein wird, dauerte es nach<br />
4<br />
Leonhard, ebenda, S. 316; E. Perling (d.i. S.Tulpanow), Die Entstehung der Volksdemokratie, in:<br />
Neue Welt, H. 9, S. 40 ff., bes. S. 51.<br />
5<br />
Vgl. Anton Ackermann, Über den einzig möglichen Weg zum Sozialismus, in: Neues Deutschland,<br />
24. September 1948.