Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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372 Francis R. Nicosia<br />
einige ZVfD-Führer Kontakte mit den Nationalsozialisten <strong>für</strong> sinnvoll 18 . Insgesamt<br />
aber war die zionistische Position in der Frage der Kontaktaufnahme mit der<br />
NSDAP ganz und gar ungeklärt; darin zeigte sich die Unfähigkeit, in einer höchst<br />
schwierigen und umstrittenen Frage zu einer eindeutigen Linie zu gelangen. In<br />
einem Brief an Chaim Weizmann, den ehemaligen Präsidenten der Zionistischen<br />
Weltorganisation, bekundete Kurt Blumenfeld, zwischen 1924 und 1933 Vorsitzender<br />
der ZVfD, am 15. Juni 1932 seine Sorge, der „religiöse" Fanatismus mancher<br />
Nationalsozialisten könne die Möglichkeit von Gesprächen zwischen der zionistischen<br />
Bewegung und einem künftigen nationalsozialistischen Staat von vornherein<br />
ausschließen 19 . Aus Blumenfelds Worten sprach die zionistische Überzeugung, Antisemitismus<br />
sei als etwas Unvermeidliches zu akzeptieren, dem man zumindest theoretisch<br />
durch die Aufhebung der Emanzipation und Assimilation, durch Auswanderung<br />
und die Schaffung eines jüdischen Staates begegnen könne. Praktisch äußerte<br />
sich darin die fast durch die ganze Weimarer Zeit hindurch fehlende Bereitschaft<br />
Blumenfelds und des deutschen Zionismus, sich aktiv an der Abwehr des Antisemitismus<br />
zu beteiligen.<br />
Letztlich zeigten weder die ZVfD noch die NSDAP hinreichendes Interesse an<br />
einer Kontaktaufnahme, so daß es vor der nationalsozialistischen Machtübernahme<br />
nicht dazu kam. Die zionistische Jüdische Rundschau formulierte ihre Ablehnung von<br />
Gesprächen mit den Antisemiten im Januar 1932 20 . Im Herbst 1932 schlug Gregor<br />
Straßer der ZVfD vor, unverbindlich und ohne Vorbedingungen über die „Judenfrage"<br />
in Deutschland zu diskutieren. Georg Kareski, der 1934 Vorsitzender der<br />
unabhängigen revisionistischen Staatszionistischen Organisation werden sollte, plädierte<br />
<strong>für</strong> die Aufnahme des Kontakts, während Kurt Blumenfeld und andere führende<br />
Mitglieder der ZVfD ablehnend blieben. Kareski, dem Straßer ebenso wie<br />
Blumenfeld Gespräche angeboten hatte, bekundete später sein „Entsetzen" über<br />
Blumenfelds „völlig unverständliche Ablehnung" 21 . Kareski zufolge verteidigte sich<br />
18 Vgl. Robert Weltsch, Looking Back Over Sixty Years, in: Yearbook of the Leo Baeck <strong>Institut</strong>e 27<br />
(1982), S. 383 f.; Robert Weltsch war von 1919 bis 1938 Herausgeber der Jüdischen Rundschau, des<br />
offiziellen Organs der ZVfD.<br />
19 Kurt Blumenfeld, Im Kampf um den Zionismus. Briefe aus fünf Jahrzehnten, Stuttgart 1976, S. 122.<br />
20 Jüdische Rundschau Nr. 2 vom Januar 1932. Herausgeber Weltsch und Gustav Krojanker, ein führender<br />
deutscher Zionist, sprachen jedoch gleichzeitig von der Existenz eines „Edelnazismus", zu<br />
dessen grundsätzlich positiven Elementen das Streben nach einer nationalen Erneuerung und Wiedergeburt<br />
des deutschen Volkes gehöre und mit dem vielleicht ein modus vivendi zu erreichen sei;<br />
dazu auch Jehuda Reinharz, The Zionist Response to Antisemitism in the Weimar Republic, in:<br />
Ders./Walter Schatzberg (Hrsg.), The Jewish Response to German Culture, Hannover 1985,<br />
S. 285 f.<br />
21 Zit. nach Francis R. Nicosia, Revisionist Zionism in Germany II. Georg Kareski and the Staatszionistische<br />
Organisation, 1933-1938, in: Yearbook of the Leo Baeck <strong>Institut</strong>e 32 (1987), S. 247 f. Der<br />
Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens hatte interessanterweise Kontakt mit<br />
Gregor Straßers Bruder Otto aufgenommen, der zu diesem Zeitpunkt bereits als nationalsozialistischer<br />
Verräter galt; vgl. Arnold Pauker, Der jüdische Abwehrkampf gegen Antisemitismus und<br />
Nationalsozialismus in den letzten Jahren der Weimarer Republik, Hamburg 2 1969, S. 81 f., und<br />
passim.