Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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448 Marianne Doerfel<br />
treten solle. „Bis zu 20 Zöglingen des bisherigen Alumnats" wurde „vorerst" der<br />
weitere Aufenthalt in der Deutschen Heimschule gestattet. Zur Aufstockung des<br />
Internats wurden die beiden untersten Klassen des Joachimsthalschen Gymnasiums<br />
in die neue Deutsche Heimschule verlegt. Da kaum noch ältere Zöglinge im Internat<br />
waren - die Jahrgänge 1928 und 1929 wurden 1944 in der Mehrzahl als Luftwaffenhelfer<br />
eingesetzt, konnte der geplante Neuaufbau mit 10-12-jährigen Jungen<br />
und neuen Lehrern beginnen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, da die sich abzeichnende<br />
Endphase des Krieges alle weiteren Pläne zunichte machte.<br />
Die Ritterakademie war somit die letzte in der Reihe der hier behandelten Schulen,<br />
die der Heimschulinspektion unterstellt wurde. Welche Faktoren im einzelnen<br />
<strong>für</strong> diese Verzögerung maßgeblich waren, läßt sich vermutlich nicht mehr ermitteln.<br />
Das Domkapitel und die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg dürften dabei<br />
ebenso eine Rolle gespielt haben wie die dienstlichen, aber auch die verwandtschaftlichen<br />
Kontakte von Vätern und ehemaligen Zöglingen zu den militärischen und<br />
politischen Schaltstellen in Berlin. Bemerkenswert ist auch, daß offenbar keine<br />
Schüler mit Spitzelaufgaben eingeschleust wurden; eine weitere Frage, die offenbleiben<br />
119 muß.<br />
Einen grundsätzlich ähnlichen Charakter in ihrer Entwicklung während der NS-<br />
Zeit zeigt die zweite Ritterakademie, in Liegnitz/Schlesien. Sie war zur gleichen<br />
Zeit wie die Brandenburger Ritterakademie entstanden, verfügte jedoch über ein<br />
beträchtliches, ursprünglich evangelisches Stiftungsvermögen, das nach der Trennung<br />
Schlesiens von Österreich zur Einrichtung einer konfessionell paritätisch angelegten<br />
Schule verwendet wurde. Gymnasium und Internat waren hier bereits seit<br />
1908 getrennt, befanden sich aber weiterhin unter dem gleichen Dach, in einem<br />
eleganten, großzügig angelegten Barockbau, der 1735 <strong>für</strong> die Ritterakademie<br />
errichtet worden war. Die meisten Zöglinge kamen aus dem schlesischen Adel,<br />
Söhne aus dem Bürgertum hatten aber schon seit langem das Gymnasium und auch,<br />
in geringerer Zahl, das Internat besucht. Für das Internat war ein gleichfalls aus dem<br />
schlesischen Adel ernannter Kurator zuständig; die Erziehung lag weitgehend bei<br />
Offizieren, die zu dem Dienst an der Ritterakademie abkommandiert wurden 120 .<br />
Innerhalb der Stadt genoß die Schule bei den bürgerlich-konservativen Teilen der<br />
Bevölkerung großes Ansehen auf Grund ihrer Tradition, aber auch des unterrichtlichen<br />
Niveaus, und es bestanden insgesamt mehr freundschaftliche Kontakte zwischen<br />
Internatszöglingen und Stadtschülern als in Brandenburg, wo diese kaum existierten.<br />
In ihrer Ablehnung der Weimarer Republik wurden die Liegnitzer Zöglinge<br />
durch die politischen Vorgänge vor und nach der Abstimmung in Oberschlesien<br />
119 Der bis 1944 amtierende Internatsleiter fiel bei den Kämpfen um Brandenburg, der Kurator<br />
v. Rochow, bei den Kämpfen um Berlin erneut verwundet, beging Selbstmord.<br />
120 Diese Regelung war erst Ende des 19.Jhdts. eingeführt worden; dabei war weniger der Gedanke<br />
einer stärker militärisch ausgerichteten Erziehung maßgebend, als der Wunsch, Erzieher aus der<br />
gleichen sozialen Schicht jederzeit in ausreichender Zahl zur Verfügung zu haben, die mit den<br />
gesellschaftlichen Umgangsformen von Hause aus vertraut waren.