Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 433<br />
lied Davids, in dem die gefallenen Helden Israels beklagt werden. Damit war - die<br />
Feier fand im November 1939 statt - ein Bezug zwischen den Gefallenen in Polen<br />
und dem Heldentum Israels hergestellt worden. Die Sorge, daß „einer der Jungen<br />
aus dem Chor hingeht und die Geschichte verbreitet und damit Verein und Schule<br />
diskreditiert", ist unter den herrschenden Umständen verständlich und der Brief<br />
möglicherweise als eine vorsorgliche Rechtfertigung <strong>für</strong> den Fall einer Vernehmung<br />
zu verstehen. Andererseits war der Hinweis des Veranstalters in seinem Antwortschreiben,<br />
auch Stellen aus dem Neuen Testament könnten Anstoß erregen, „die<br />
Bibel ist nun einmal von Juden geschrieben", kaum zu widerlegen 75 .<br />
Die Veranstaltung blieb folgenlos, wurde aber im nächsten Jahr in einem anderen<br />
Gebäude abgehalten. Der Briefwechsel zeigt jedoch, daß auch bei innerer Übereinstimmung<br />
und langjähriger persönlicher und kollegialer Verbundenheit der Verlauf<br />
des politischen Zermürbungsprozesses wesentlich von individuellen Persönlichkeitsstrukturen<br />
abhing.<br />
Für die folgenden Gedenkfeiern stellte der Dresdner Pfarrer Ihle, „eine leuchtende<br />
Gestalt der Bekennenden Kirche in dunkler Zeit", den Gemeindesaal der<br />
Martin-Luther-Kirche zur Verfügung. Als Chor traten die Kreuzschüler auf.<br />
V.<br />
Nach Abschluß der Konsolidierungsphase blieb den konfessionell gebundenen<br />
Internatsschulen nur noch ein sehr begrenzter Freiraum, und sie verstärkten jetzt<br />
ihre Bemühungen, sich der Protektion einflußreicher Eltern oder ehemaliger Schüler<br />
zu versichern. Das Damoklesschwert der Umwandlung in eine Adolf-Hitler-<br />
Schule oder eine NPEA hing über allen, und es war weitgehend in die Geschicklichkeit<br />
der Schulleitungen gegeben, wie lange sie Beziehungen zu NS-Funktionären<br />
<strong>für</strong> den Erhalt der Schule nutzbar machen konnten. Dabei kam ihnen vorübergehend<br />
zustatten, daß in der Schulaufsicht das Leistungsprinzip wieder stärker<br />
berücksichtigt wurde. Bei den Nationalsozialisten hatte sich zumindest teilweise die<br />
Einsicht durchgesetzt, daß man fachliche Qualifikationen nicht völlig außer Acht<br />
lassen könne. Die Gleichschaltung der Internatsschulen war aber weiterhin der<br />
Bereich, dem sich die Aufmerksamkeit der politischen Machthaber besonders<br />
zuwandte, da man sich hier am schnellsten Erfolge bei der Erziehung einer politischen<br />
Führerschaft versprach 76 .<br />
Als erste waren die ehemaligen Kadettenanstalten - in der Weimarer Republik in<br />
„Staatliche Bildungsanstalten" umbenannt - in NPEA umgewandelt worden. Sie<br />
75<br />
Die Korrespondenz wurde von dem Sohn des Afraner Schulleiters, Dr. Ch. Hartlich, in Sap. Aude,<br />
H. 14, Febr. 1981, S. 10 ff. veröffentlicht.<br />
76<br />
Darauf wies Erziehungsminister Rust bereits bei einem Empfang des Außenpolitischen Amtes der<br />
NSDAP Ende 1934 hin: die Internate seien „in hervorragender Weise berufen, an der Bildung einer<br />
politischen Führerschicht mitzuwirken" (Die höhere Schule, Beilage z. Polit. Erziehung, H. 15,<br />
Dez. 1934, S. 435). Zur zeitgenössischen Literatur vgl. H. Scholtz, S. 140/41, Anm. 2 u. 5.