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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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446 Marianne Doerfel<br />

Der kritischen Beobachtung durch die politischen Dienststellen waren sich die<br />

meisten Jungen mehr oder weniger bewußt. Bereits 1939 erfolgte eine erneute<br />

Inspektion des Internats auf Grund verschärfter Bestimmungen, die alle Internate<br />

unter staatliche Aufsicht stellten. Behördenvertreter zeigten sich mit dem Ergebnis<br />

ihres Besuchs zufrieden, dem Schuldirektor, einem alten Parteigenossen, wurden<br />

aber zusätzliche Aufsichtsrechte erteilt. Zwei Jahre später wurde ihm das Internat<br />

förmlich unterstellt, die bisherige, wenn auch begrenzte Eigenständigkeit des alten<br />

Heimleiters damit aufgehoben. Bei aller Bereitschaft zur erforderlichen Anpassung<br />

suchten die älteren Schüler jedoch gleichzeitig ihre alten Rechte zu verteidigen,<br />

etwa die Mitsprache bei Neuanmeldungen 111 und die selbständige Regelung der<br />

inneren Disziplin. Das gelang auch, denn „die Lehrer hatten gar keine innere Beziehung<br />

zu uns" 112 . Politischen Rückhalt fanden sie bei der städtischen HJ-Führung,<br />

die die HJ-Schar der Ritterakademie gern zu Sonderaufgaben heranzog, wie dem<br />

Streifendienst mit einer SA-Reiterabteilung.<br />

Zu dem bewußten Festhalten an der eigenen Tradition gehörten auch der sonntägliche<br />

Gottesdienst und das Tischgebet, das immer von einem Schüler gesprochen<br />

wurde: „viele Lehrer konnten gar nicht beten" 113 . In den seit 1937 <strong>für</strong> die Eltern<br />

herausgegebenen kleinen Schriften über die Ritterakademie wurde in unveränderter<br />

Form auf die beiden Grundgedanken der Erziehungsziele hingewiesen: „Nur wenn<br />

die religiöse Grundlage innerlich gut verankert ist, haben wir die Gewähr <strong>für</strong> die<br />

Entwicklung all der Eigenschaften, die die R. A. von ihren Zöglingen fordert. ... Ein<br />

starker Glaube vermag allein die tiefe innere Ruhe und Sicherheit zu geben, das<br />

Leben mit fester Hand anzupacken und zu meistern." An zweiter Stelle wird der<br />

vaterländische Gedanke genannt, <strong>für</strong> den das Motto gewählt wurde: Patriae in serviendo<br />

consumor (Mein ganzes Leben steht im Dienst des Vaterlandes). Das<br />

Bekenntnis zum nationalsozialistischen Deutschland wird zwar nicht ausgelassen,<br />

trägt jedoch unverkennbar den Charakter einer Pflichtübung im Stil der Zeit 114 .<br />

Zweifel an der Legitimität des nationalsozialistischen Anspruchs, Erben und Fortführer<br />

der altpreußischen Tradition zu sein, mochten wohl in einzelnen Fällen bei<br />

den Jungen vorhanden sein, soweit im Elternhaus darüber gesprochen wurde. Die<br />

Anregung zum kritischen Denken fehlte jedoch, das Verantwortungsbewußtsein<br />

bezog sich auf die bestehende Gemeinschaft, nicht auf ihre Veränderung. „Vieles<br />

machte mißtrauisch, aber man konnte es nicht definieren", damit umriß ein ehemaliger<br />

Zögling später das „gespaltene Bewußtsein" seiner Generation 115 .<br />

111<br />

Mündl. Mitteilung Prof. K. Caesar, Berlin, damals Primus Omnium (1939-43).<br />

112<br />

Prof. K.Caesar.<br />

113<br />

Prof. K. Caesar.<br />

114<br />

Die Ritterakademie (Broschüre), 1941, S. 8. Prof. Caesar erinnert sich anlange Gespräche mit dem<br />

Bannführer über die Bibel: Der kriegsversehrte Bannführer hatte „viele Stellen in der Bibel rot, grün<br />

und blau angestrichen und setzte sich mit ihr als Nazi auseinander"; dem - jüngeren - Gesprächspartner<br />

war das „oft viel zu hoch. Es hat mir aber später viel geholfen."<br />

115<br />

G. v. Rotenhan, mündl. Mitteilung 1986 (Zögling 1931-35). L. v. Tiedemann, der 1936 von Brandenburg<br />

in das Landerziehungsheim Schloß Bieberstein kam, stellte einen deutlichen Unterschied in

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