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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 435<br />

Heißmeyer besuchte alle unter seiner Inspektion stehenden Schulen regelmäßig<br />

und besichtigte auch die neu hinzukommenden Schulen vor ihrer offiziellen Übernahme,<br />

um festzustellen, ob die sportlichen Anlagen seinen Vorstellungen genügten<br />

- Reiten, Schwimmen, Boxen, Fechten durften neben Leichtathletik und Mannschaftssport<br />

nicht vernachlässigt werden, und in St. Afra hieß es, die fehlende Reitanlage<br />

habe eine frühere Umwandlung der Schule verhindert 80 . Noch vor Kriegsbeginn<br />

hatte die Schule größere Beträge zur Verschönerung erhalten, zum Bau einer<br />

Reithalle kam es aber nicht. Die erste „bauliche Veränderung" bestand vielmehr<br />

darin, daß in den Sommerferien 1942 die Inschrift über dem Hauptportal „Christo,<br />

Patriae, Studiis" entfernt wurde, was zu erregten Protesten der im Feld stehenden<br />

Afraner führte 81 . Am 17. November 1942 wurde die Schule in einem feierlichen<br />

Staatsakt in Anwesenheit des Gauleiters Mutschmann, des Inspekteurs der Heimschulen<br />

Heißmeyer, des Ministers Göpfert und anderer Vertreter von Partei, Staat<br />

und Wehrmacht der Inspektion der NPEA/Deutsche Heimschulen unterstellt.<br />

Damit wurde die Frage des Kirchenaustritts akut. Der Rektor hatte diesen Schritt<br />

bereits vollzogen, es mußte nun aber die Frage geklärt werden, ob der Kirchenaustritt<br />

zwingend vorgeschrieben sei. Ein Berliner Oberstudienrat kam zu einer Unterrichtsrevision<br />

und sah sich vor einer schwierigen Situation, als ein Lehrer während<br />

einer Konferenz erklärte, er würde sich vor seinen Schülern schämen, wenn er<br />

gegen seine Überzeugung aus der Kirche austrete. Es wurde daher mitgeteilt, daß<br />

die zur Kirche gehörenden Lehrer weiterhin Unterricht erteilen dürften, während<br />

<strong>für</strong> den Internatsbetrieb Erzieher von außen berufen würden. Wie groß der Mangel<br />

an geeigneten Erziehern aber bereits war, zeigte sich daran, daß als erste ein Volksschullehrer<br />

und der Lehrer einer Gärtnerschule nach St. Afra versetzt wurden.<br />

Wenige Wochen nach dem Staatsakt wurde die außerordentlich geschätzte Oberin<br />

der Schule, die sich weigerte, ihre christliche Schwesterntracht abzulegen, fristlos<br />

entlassen, <strong>für</strong> Lehrer und Schüler ein eindeutiger Hinweis, daß alle Zusagen auf<br />

eine Fortsetzung der Tradition der Schule, wenn auch in veränderter Form, nur<br />

Phrasen waren.<br />

Der Schulleiter wurde eingezogen, und sein Vertreter bemühte sich, die Altafraner<br />

durch einen Rundbrief zu beruhigen. Unter den daraufhin bei ihm eingehenden<br />

Antworten war der Brief eines Theologen, zu der Zeit Leutnant; er wies alle Verschleierungsversuche<br />

zurück und erklärte, daß einem „Nationalsozialisten, und<br />

zumal einem jungen, die Treue zu Christus nicht wie einst in St. Afra nahegelegt,<br />

sondern verächtlich gemacht werden muß". Der Brief wurde auf der „Synode" - der<br />

Lehrerkonferenz - verlesen. Er endete mit dem Hinweis, daß der Verfasser, selbst<br />

wenn er in der Heimat wäre, zu der bevorstehenden Vierhundertjahrfeier nicht<br />

erscheinen würde.<br />

Dieser Haltung schloß sich auch die Dresdner Ortsgruppe der Altafraner an, die<br />

80 Bericht des afranischen Lehrers Dr. Siegfried Lorenz, St. Afra 1942-1950 (Maschinenskript), Afra-<br />

ner-Archiv.<br />

81 Sap.Aude. H. 15, Aug. 1981, S. 13.

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