Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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Zionismus im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1939 391<br />
halben Million Juden aus Deutschland gesehen wurde, sondern die Notwendigkeit<br />
des Kampfes des „neuen Deutschlands" gegen die jüdische Weltverschwörung.<br />
Die verantwortlichen deutschen Stellen unternahmen jedoch nichts, was konkrete<br />
Auswirkungen auf die Situation in Palästina gehabt hätte. Sie verweigerten die Teilnahme<br />
an internationalen Debatten über Palästina und das Flüchtlingsproblem,<br />
unterstützten die Sache der Araber weder materiell noch diplomatisch und übten<br />
auch keinen Druck auf antisemitische Regierungen in Osteuropa (etwa in Polen<br />
oder Rumänien) aus, um deren Politik zu ändern, die dem Zionismus und der<br />
Zunahme der jüdischen Emigration nach Palästina mehr als förderlich war. Stattdessen<br />
hob in Partei- und Regierungskreisen in der zweiten Jahreshälfte 1937 und<br />
Anfang 1938 eine intensive Diskussion an, in deren Mittelpunkt die Frage stand, ob<br />
und inwieweit die jüdische Auswanderung nach Palästina und der Transfer von jüdischem<br />
Kapital via Haavara die zionistischen Bemühungen, einen unabhängigen<br />
jüdischen Staat aufzubauen, erleichtert hätten. Gleichwohl ist nicht zu vermuten,<br />
daß irgend jemand in Berlin ernstlich daran glaubte, die Ereignisse in Palästina seien<br />
durch eine bloße Änderung der Auswanderungspolitik oder durch die Beendigung<br />
des Haavara-Abkommens entscheidend zu beeinflussen. Die deutschen Juden stellten<br />
zwischen 1933 und 1937 gerade 20 Prozent der gesamten jüdischen Einwanderung<br />
nach Palästina und einen noch weitaus geringeren Anteil an der Gesamtbevölkerung<br />
des Landes 93 . Die zionistischen Hoffnungen auf einen unabhängigen<br />
jüdischen Staat ruhten deshalb sehr viel stärker auf den Massen osteuropäischer<br />
Emigranten und waren durch einen - praktisch ohnehin kaum durchführbaren -<br />
Versuch, den Strom deutscher Juden in andere Gegenden umzulenken, nicht ernsthaft<br />
zu beeinträchtigen.<br />
Dennoch wurde die Diskussion über die jüdische Auswanderung nach Palästina<br />
in Berlin mit einer Vehemenz geführt, als ob das Schicksal eines unabhängigen jüdischen<br />
Staates von ihrem Ausgang abhängig gewesen wäre. Im Auswärtigen Amt<br />
bestand Konsens darüber, daß das Haavara-Abkommen zu einer Stärkung der Zionisten<br />
in Palästina beigetragen und die Bemühungen um die Errichtung eines jüdischen<br />
Staates erleichtert hatte 94 . Die Auslandsorganisation der NSDAP und Generalkonsul<br />
Döhle in Jerusalem hatten das Abkommen schon seit 1936 unausgesetzt<br />
kritisiert, weil sie negative Folgen <strong>für</strong> die deutschen christlichen Gemeinden, <strong>für</strong> die<br />
arabische öffentliche Meinung und den deutschen Handel mit den Arabern wahrzunehmen<br />
glaubten 95 . Das Reichswirtschaftsministerium andererseits hatte sich<br />
jeglichen Änderungen widersetzt 96 . Wenn es schließlich doch zu einigen Verände-<br />
93<br />
Vgl. Feilchenfeld, Haavara-Transfer, S. 90; BA, R/57-25, Reichsstelle <strong>für</strong> das Auswanderungswesen,<br />
Bericht von Assessor Dr. Wilmann über seine Reise nach Palästina vom 10.6.1937.<br />
94<br />
ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 562. Lediglich die Handelspolitische Abteilung des AA trat weiterhin mit<br />
voller Überzeugung <strong>für</strong> das Abkommen ein.<br />
95<br />
ISA, 67/1253, DGK Jerusalem an Reichsstelle <strong>für</strong> Devisenbewirtschaftung vom 15.8.1936;DGK<br />
Jerusalem an AA vom 11.8. und vom 22.9.1936.<br />
96<br />
PA/AA, Pol. Abt. HI-Wirtschaft, Palästina-Handel 11, Nr. 1, Aufzeichnung vom Februar 1936;<br />
ISA, 67/1272, Reichsstelle <strong>für</strong> Devisenbewirtschaftung an AA vom 21.11.1936 und RMW an DGK<br />
Jerusalem vom 2.10.1936.