Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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408 Marianne Doerfel<br />
Kegelbahnen, Tennisplätze und Schwimmbäder. Vor allem das Rudern wurde mit<br />
schuleigenen Booten regelmäßig trainiert 10 , Wettkämpfe mit anderen Schulen oder<br />
die Teilnahme an regionalen Ausscheidungswettbewerben gehörten zum Jahresprogramm,<br />
ebenso schulinterne sportliche Veranstaltungen bei Schulfesten, die die<br />
Zuschauer - Eltern und ehemalige Schüler - häufig zu Spenden veranlaßten. In den<br />
Lehrplänen nahm die Leibeserziehung schon während der Weimarer Republik einen<br />
größeren Raum ein, und die Einführung von Jugendsportabzeichen bildete <strong>für</strong> den<br />
Schul- und Vereinssport eine zusätzliche Motivation. An allen hier behandelten<br />
Schulen galt das Prinzip einer allgemeinen Abhärtung, u. a. auch durch Frühsport,<br />
und die Nationalsozialisten rannten insofern offene Türen ein. Ihre ideologische<br />
Überhöhung von körperlicher Härte als spezifisch deutsche Nationaleigenschaft<br />
fand wohl Anhänger, vor allem unter jüngeren Lehrern und Schülern, hatte aber<br />
keine eigene, traditionsbildende Wirkung. Die Bewegung im Freien und der Mannschaftssport<br />
waren Bestandteil der Gesamterziehung: soweit man sich hierin an<br />
anderen Schulen orientierte, waren es in erster Linie die englischen Public Schools,<br />
die in der einschlägigen pädagogischen Diskussion Ende der zwanziger und Anfang<br />
der dreißiger Jahre einen bedeutenden Raum einnahmen 11 . Die kollektive Identifizierung<br />
mit der sportlichen Leistung oder Auszeichnung war Bestandteil des Wettkampfgedankens<br />
und betraf die Schulgemeinschaft, nicht die HJ-Einheit; als politische<br />
Alibifunktion erhielten die sportlichen Qualifizierungen allerdings nach 1933<br />
ein besonderes Gewicht.<br />
Höhepunkt des Jahres blieb aber das an die Geschichte und die evangelischhumanistische<br />
Tradition der Schule erinnernde Stiftungs- oder Schulfest, zu dem<br />
sich stets - neben den Eltern - ehemalige Schüler in großer Zahl einfanden, um<br />
nach der offiziellen Feier und dem Gottesdienst mit der Jugend zu essen, Kaffee zu<br />
trinken und an den von den Schülern einstudierten Darbietungen teilzunehmen. In<br />
St. Afra gehörte dazu das „Windefest", bei dem die Schule in einer besonderen, entfernt<br />
an ältere Formen der ländlichen Pfingstdekorationen erinnernden Zeremonie<br />
geschmückt wurde 12 .<br />
Gleiche Bedeutung hatte die Feier des Abiturs, die Valediktion. Ihre an viele alte<br />
10<br />
In Templin, das in dieser Hinsicht wohl am besten ausgestattet war, gab es 5 Sportboote, jedes Alumnat<br />
hatte 2 Ruderboote.<br />
11<br />
Vor und nach der Machtergreifung erschienen zahlreiche Artikel in deutschen Fachzeitschriften<br />
über das englische Internatsschulwesen. Ausführliche Literaturangaben hierzu bei Harald Scholtz,<br />
NS-Ausleseschulen, Göttingen 1973, S. 139 ff.<br />
12<br />
Als besonders hübsches Beispiel <strong>für</strong> eine gemeinsame Kraftanstrengung, die im Zeitalter der mechanisierten<br />
Arbeit kaum noch vorstellbar ist, soll die in „Afranisches Brauchtum" gegebene Beschreibung<br />
folgen: Pappelzweige werden „nach besonderen Gesetzen" zu einer riesigen Girlande gewunden,<br />
die über das große Schultor passen muß. Der „zentnerschwere Koloß" wird an zwei Stellen<br />
gebrochen. „Unter Trommelwirbel laufen die Träger aufeinander zu, um die zwei Bruchstellen<br />
durch Einknicken herzustellen. Ist das nach harter Arbeit gelungen, so wird die ,große Wurst' im<br />
Triumph über den Hof getragen, wobei die Kleinsten obenauf sitzen." Die Primaner ziehen mit Seilen<br />
von oben, die anderen helfen mit Stangen nach, der eigens ernannte „Windeinspektor" führt das<br />
Kommando.