Anhang - Institut für Zeitgeschichte
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444 Marianne Doerfel<br />
auch auf der langen Liste der Gefallenen. Es wäre allerdings unzutreffend, die<br />
Erziehungsziele als ausschließlich am Militärberuf orientiert zu kennzeichnen. Die<br />
Ritterakademie war nicht als eine Variante der Kadettenanstalten gegründet worden,<br />
sondern beruhte in ihrer Ausrichtung auf dem Selbstverständnis des königstreuen<br />
Adels, der über Jahrhunderte Führungspositionen in Staat und Heer beansprucht<br />
und wahrgenommen hatte. Das Vakuum, das mit dem Zusammenbruch der<br />
Monarchie entstand, konnte nur teilweise mit dem Festhalten an einem preußischen<br />
Pflichtethos gefüllt werden; in der Parteiendemokratie sah man keinen verbindlichen<br />
Bezugspunkt. Die tiefgreifenden sozialen Veränderungen der modernen Industriegesellschaft<br />
mit ihren unvermeidlichen politischen Folgen blieben in dieser<br />
Erziehung unbeachtet.<br />
Die Wirtschaftskrise in den letzten Jahren der Weimarer Republik brachte erneut<br />
ernste Sorgen um den Erhalt der Schule, da die Gutsbesitzer die Beiträge als große<br />
Belastung empfanden. Gleichzeitig ergab die Auflösung des Domkapitels Unklarheit<br />
über die Rechtsverhältnisse 106 . In diesen Zeitraum fiel der altersbedingte Rücktritt<br />
des Direktors - 1933 - und die von den Nationalsozialisten bewirkte Funktionsunfähigkeit<br />
des vor kurzem ernannten Domstiftskuratoriums. So wurde der neue<br />
Regierungspräsident Fromm kommissarisch beauftragt, einen neuen Schulleiter<br />
vorzuschlagen, den der Oberpräsident als Vertreter der Schulbehörde bestätigen<br />
mußte.<br />
Die Neubesetzung (1934) stellte sich bald als ein völliger Mißgriff heraus, wobei<br />
ungeklärt ist, ob hier Absicht oder Kurzsichtigkeit der Behörden vorlag. Schwere<br />
Disziplinstörungen führten zu häufigen Beschwerden des Direktors bei der Schulaufsicht,<br />
und so wurde 1936 die Schließung der Schule ab Ostern 1937 verfügt.<br />
Es gibt keinen Nachweis da<strong>für</strong>, daß der von einer Berliner Schule kommende<br />
Direktor, Mitglied der NSDAP, den Auftrag hatte, Material gegen die Schule zu<br />
sammeln. Das wird jedoch sowohl von den ehemaligen Schülern vermutet als auch<br />
durch die Mitteilung eines Vorstandsmitglieds des Vereins der ehemaligen Zöglinge<br />
angedeutet. Er berichtet, der Generallandschaftsdirektor, Graf Wedel, habe 1936<br />
eine Besprechung mit dem Gauleiter Stürtz geführt, der die Ritterakademie als<br />
„reaktionäre Standesschule" bezeichnete, die „zu verschwinden habe" 107 . Auch die<br />
Beförderung des ausscheidenden Direktors zum Oberschulrat in Berlin läßt darauf<br />
schließen, daß man in seinen Eingaben an die Schulbehörde keinen Hinweis auf das<br />
eigene pädagogische Versagen sah, sondern in der Schule einen Herd konservativer<br />
106 Für die Erhaltung der wenigen noch vorhandenen Domstifte - Brandenburg, Merseburg, Naumburg<br />
und Zeitz - setzte sich nach dem Ersten Weltkrieg der Berliner Bischof Dibelius sehr ein. „Es<br />
handelt sich nicht mehr um Geld, sondern nur noch um Werte der Geschichte, des Gemüts, der<br />
kirchlichen Erinnerungen." Er forderte, daß man Männer der Wissenschaft in die Domkapitel<br />
berufe, wie in England, konnte sich aber nicht durchsetzen. Jahrbuch f. Berl.-Brandenburg. Kirchengeschichte,<br />
56. Jg., 1987, S. 92 ff., hrsg. v. d. Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Berl.-Brandenburg, Kirchengeschichte.<br />
107 Festschrift aus Anlaß des 250-jährigen Gründungstags der Ritterakademie, Ansprache Karl<br />
v. Oppen, 12.6. 1955, S. 23.