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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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Der Griff des NS-Regimes nach Elite-Schulen 415<br />

Allerdings war die Affinität zu dem Gedankengut der Jugendbewegung in den<br />

Landerziehungsheimen ungleich stärker als in den alten Traditionsschulen, die im<br />

Humanismus und im Luthertum wurzelten. Es gab auch hier Wandervogel-Gruppen<br />

und Pfadfinder, doch war die Ausgangssituation eine andere: die Lebensgemeinschaft<br />

junger Menschen, ihr Heranwachsen außerhalb der Großstadt in der industriefernen<br />

Natur war, mit den genannten Ausnahmen, integrierter Bestandteil ihrer<br />

Erziehungstradition. Die Beziehung der Generationen zueinander war verhältnismäßig<br />

unbelastet, eine generelle Ablehnung der Welt der Erwachsenen kaum vorhanden.<br />

Störungen traten erst auf, als sich auch in den Lehrerkollegien parteipolitische<br />

Gegensätze zeigten, zuweilen motiviert durch beruflichen Neid, was in der<br />

Internatsgemeinschaft nicht lange verborgen bleiben konnte.<br />

III.<br />

Mit der 1929 sprunghaft ansteigenden Arbeitslosigkeit begann <strong>für</strong> die älteren Schüler<br />

die Sorge um die berufliche Zukunft. Resigniert erklärte ein Primaner bei seiner<br />

Abschiedsrede während des Aktus, der feierlichen Entlassung aus der Schule: „Alle<br />

Berufe sind überfüllt." Der Parteienproporz wurde als demoralisierend empfunden.<br />

„Es herrscht heute in allen staatlichen und auch vielen nichtstaatlichen Verwaltungen,<br />

Einrichtungen und Betrieben ein Gewissenszwang und eine Gesinnungsschnüffelei,<br />

wie wir sie bisher noch nicht kennengelernt haben." Mit dem durch Erziehung<br />

und Schulbildung vermittelten humanistischen Erbe fühlte man sich eher an den<br />

Rand der Gesellschaft gedrängt, in der <strong>für</strong> „das Geistige" kein Platz mehr vorhanden<br />

sei. „Man glaubt heute auf alles verzichten zu können, was dem jungen Menschen<br />

nicht direkt in seinem späteren Beruf nutzt." Für Deutschland komme es<br />

jedoch darauf an, seine Einigkeit wieder zu finden, wie 1813: eine historische Parallele,<br />

die nach 1918 häufig beschworen wurde und in den Schlüsselsatz <strong>für</strong> eine<br />

ganze Generation mündete: „Eine große Bewegung wie damals muß ganz Deutschland<br />

ergreifen". 25<br />

Aus den Aussagen vieler ehemaliger Schüler geht hervor, daß die Sympathien<br />

mehrheitlich DNVP, DVP und Stahlhelm gehörten. Es wird aber auch vereinzelt<br />

von Lehrern berichtet, die Mitglieder der SPD oder der DDP waren.<br />

An einigen der hier behandelten Schulen war 1929/30 ein nationalsozialistischer<br />

Schülerbund (NSS) entstanden. Er war von der Parteiorganisation als Konkurrenz<br />

zu den sozialistischen Schülerverbänden geplant. Für Berlin wird berichtet, daß ihm<br />

im Gründungsjahr 1929 etwa 200 Schüler angehörten, „die fast alle die höheren<br />

Knabenschulen des Berliner Westens besuchen" 26 . Auch <strong>für</strong> Dresden wird eine örtliche<br />

Organisation gemeldet, öffentliche Propaganda aber nicht verzeichnet. Reichsführer<br />

des im Mai 1929 durch die Gauleitung in Berlin gegründeten NSS war<br />

25 AMJ, N. F., H. 46, Sept. 1978, S. 1035 ff.<br />

26 Sammlung Schumacher, 239-I, BAK (vermutlich ein Polizeibericht).

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