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Anhang - Institut für Zeitgeschichte

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478 Dieter Marc Schneider<br />

Die Kommerzialisierung städtischer Betriebe - vor allem der städtischen Verkehrswirtschaft<br />

und Energieerzeugung - hatte sich häufig durch die Errichtung von<br />

Aktiengesellschaften vollzogen und zur Bildung überregionaler Verbundsysteme in<br />

privatwirtschaftlicher Form geführt. Diese kommunale wirtschaftliche Expansion<br />

war vor allem von den Sozialdemokraten getragen worden. Eines ihrer zentralen<br />

kommunalpolitischen Anliegen war zweifellos die Umformung der Wirtschaft im<br />

Sinne der „Gemeinwirtschaft" gewesen. Schon im Kaiserreich hatte die SPD die aus<br />

England stammende Idee des Munizipalsozialismus übernommen. Auch in der Weimarer<br />

Republik stand die Kommunalisierung von städtischen Betrieben im Zeichen<br />

einer systemimmanenten Reform: Munizipalsozialismus, d.h. die Vergesellschaftung<br />

und Beherrschung der ökonomischen Macht der Städte war <strong>für</strong> die SPD auch<br />

eine Kompensation da<strong>für</strong>, daß sich das Prinzip der Gemeinwirtschaft auf Reichsebene<br />

nach 1918 nur in weit geringerem Maße hatte verwirklichen lassen 75 .<br />

Kommunale „Gemeinwirtschaft" umfaßte Unternehmen verschiedenster Art, so<br />

neben dem Energie- und Versorgungssektor vor allem das Verkehrswesen, den<br />

Wohnungsbau sowie den Bereich Kultur und Bildung. Nach dem Ersten Weltkrieg<br />

und vor allem in der sogenannten Stabilisierungsphase der Weimarer Republik<br />

1924-1929 war eine starke Zunahme dieser Betriebe im kommunalen Bereich zu<br />

verzeichnen. Der wohl bedeutendste Sektor war das genossenschaftliche Bauwesen,<br />

in dem auch die freien Gewerkschaften aktiv wurden und als dessen Vorbild seit<br />

Mitte der zwanziger Jahre die austromarxistische Wohnungsbaupolitik in Wien gelten<br />

kann. Diese Expansion kommunaler Wirtschaft mit ihren munizipalsozialistischen<br />

Tendenzen war schon in der Weimarer Republik auf die Gegnerschaft der<br />

Interessenverbände von Industrie, Handel und Banken gestoßen 76 und hatte nach<br />

1933 zu einer Reihe von Verordnungen und Gesetzen der NS-Regierung geführt,<br />

die in den folgenden Jahren die finanzielle und eigenwirtschaftliche Bewegungsfreiheit<br />

der Gemeinden beschränkten und streng reglementierten. Vor allem die Finanzpolitik<br />

wurde im Dritten Reich zunehmend zum staatlichen Lenkungsmittel der<br />

Städte. Mit dem Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichs vom 31. Januar 1938<br />

hatte die NS-Regierung den Gemeinden auch Teile der Grunderwerbssteuer entzogen<br />

und die Versorgungsbetriebe der Körperschaftssteuer unterworfen. Schließlich<br />

entzog der Kriegsbeitrag in Höhe von 2 Mrd. Reichsmark den Gemeinden etwa ein<br />

Drittel ihrer Einnahmen. Auch das zur Eindämmung übermäßiger städtischer Kre-<br />

Verwaltung in der Weimarer Zeit, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. 1,<br />

Heidelberg 1981, hier v. a. S. 90 f.<br />

75 Zur historischen Ausprägung der Idee des „Munizipalsozialismus" bei den deutschen Sozialdemokraten<br />

vgl. Adelheid von Saldern, Die Gemeinde in Theorie und Praxis der deutschen Arbeiterorganisationen<br />

1863-1920, in: IWK zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Jg. 12, 1976,<br />

S. 295-352, bes. S. 310 ff. und 335 f.; ebenso Helmut Arndt, Zu einigen Aspekten sozialdemokratischer<br />

Kommunalpolitik, S. 105 f. (mit den dort angeführten Veröffentlichungen der wichtigsten<br />

deutschen Theoretiker).<br />

76 Vgl. hierzu Carl Böhret, Aktionen gegen die „kalte Sozialisierung" 1926-1930. Ein Beitrag zum<br />

Wirken ökonomischer Einflußverbände in der Weimarer Republik, Berlin 1966.

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