EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...
EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...
EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
können, der auch auf Deutsch Gedichte verfasst hat, ein begeisterter Leser<br />
des Linkshegelianer David F. Strauß (Das Leben Jesu, 1835) war, hatte Tschabuschnigg<br />
spätestens in seinem Nationalitätenaufsatz mit dem Vorwurf, es<br />
mangele ihr an nationaler Literatur, „aus der sie hinreichend Bildung schöpfen<br />
könnten“, vollends liquidiert – nicht ohne zuvor auf das lange, gut funktionierende,<br />
teils symbiotische Nebeneinander hingewiesen zu haben. 4 So kurz die<br />
Triestiner ‚Lehrjahre’ auch waren, so umfassten sie doch eine Periode, in denen<br />
Tschabuschnigg sein literarisches Profil ausloten <strong>und</strong> politisch an Debatten<br />
partizipieren konnte, wie dies nach 1848 kaum mehr der Fall sein sollte.<br />
3.<br />
Beispiel/Konstellation 2: Evokation <strong>und</strong> Verdrängung des Slawischen –<br />
Ambivalenz des Aufbruchs in die Moderne: Scipio Slatapers ‚Irredentismo’<br />
Konzepte <strong>und</strong> (verfehlte) Begegnungen mit der slowenischen Moderne<br />
im Umfeld von Etbin Kristan <strong>und</strong> Srečko Kosovel<br />
Um 1910 formierte sich bekanntlich von Triest aus über Florenz im Umfeld der<br />
Zeitschrift <strong>und</strong> Gruppe La Voce eine junge, kulturell <strong>und</strong> literarisch vielversprechende<br />
Generation 5 . Manche unter ihnen, allen voran Scipio Slataper <strong>und</strong> Giani<br />
Stuparich, sind familiengeschichtlich auch an das slawische Umfeld Triests<br />
bzw. Istriens geb<strong>und</strong>en gewesen. In den vom Triestiner Establishment als ungeheuerliche<br />
Provokation empf<strong>und</strong>enen Lettere Triestine (1909) hat Slataper<br />
der Stadt nicht nur Stagnation vorgeworfen, sondern einen platten, rhetorischen<br />
Irredentismus. Dieser stünde der eigentlichen Bestimmung der Stadt,<br />
eine „serena concorrenza“ zwischen den Kulturen zu ermöglichen, entgegen<br />
bzw. behindere sie darin – mit Bezugnahme auf Angelo Vivante (der zu diesem<br />
Zeitpunkt seine wegweisende Studie Irredentismo adriatico noch nicht veröffentlicht<br />
hatte!) – „crogiolo e propagatore di civiltà, di tre civilità“ (Schmelztiegel<br />
<strong>und</strong> Sprachrohr von Zivilisationen, von drei Zivilisationen) zu sein. In der<br />
4 Tschabuschnigg. Adolf von, Zur Frage der Nationalitäten (Sonntagsblatt 1848); in: Kucher, Primus-Heinz<br />
(Hrsg.), Adolf Ritter von Tschabuschnigg (1809–1877). Literatur <strong>und</strong> Politik zwischen Vormärz <strong>und</strong> Neoabsolutismus,<br />
Wien 2006, 289–301, bes. 293.<br />
5 Zur Relevanz der Florentiner ,Moderne’ für die junge Triestiner Generation vgl. Marchi, Marco / Pellegrini,<br />
Ernestina / Steidl, Lodovico, Immagini di Trieste, in: Marchi, Marco et al. (Hrsg.), Intellettuali di<br />
frontiera. Triestini a Firenze (1900–1950), Firenze 1983, 23–83, bes. betr. Slataper 36f. <strong>und</strong> 71f.<br />
141