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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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ung. Denn so gesehen hat Europa, wie bereits gesagt, „soviel Herkunft, dass<br />

seine Zukunft nicht zu verhindern ist“.<br />

Die Zivilisationstheoretiker der Aufklärung haben bereits über solche Zusammenhänge<br />

nachgedacht <strong>und</strong> praktische Konzepte entwickelt. Eine innovative<br />

Theorie der Heimat hat der Zürcher Pädagoge <strong>und</strong> Aufklärer Johann Heinrich<br />

Pestalozzi formuliert. Er machte deutlich, dass das Besondere unserer Herkunft<br />

nicht ein trennender, separierender Faktor ist, sondern der Brennpunkt für eine<br />

künftige, offene <strong>und</strong> tolerante „Völkerverbindung”, wie es damals hieß. Und bei<br />

dieser Verbindung dachte er natürlich an ein symbolisches (idealistisches) Kapital<br />

<strong>und</strong> nicht an ein finanzielles.<br />

Freilich, die Geschichte des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts hat dem Heimatbegriff<br />

seine Unschuld genommen. Durch die totale Enthumanisierung alles Menschlichen<br />

im Namen einer „besseren, rassenreinen Heimat“. Der katastrophalen<br />

Pervertierung durch Faschismus <strong>und</strong> Nationalsozialismus folgte nach 1945 die<br />

weitgehende Verdrängung. Aber stets haben namhafte Philosophen die Unverzichtbarkeit<br />

des Heimatbegriffs hervorgehoben. Ernst Bloch etwa notiert am<br />

Ende seines Werkes „Prinzip Hoffnung”: Bei jedem Menschen gibt es etwas,<br />

„das allen in die Kindheit scheint <strong>und</strong> worin noch niemand war: Heimat”. Stets<br />

sind wir gezwungen, so Sigm<strong>und</strong> Freud, den Blick auf den „Eingang zur alten<br />

Heimat des Menschenkindes” zu richten. Doch hat diese sentimentale (postromantische)<br />

Utopie noch eine Bedeutung?<br />

Heimat ist zunächst eine raum-zeitliche Gegebenheit für jeden Menschen, in<br />

die er hineingeboren oder hineingekommen ist <strong>und</strong> in der er wohnt. Darüber<br />

hinaus ist Heimat das Ganze der an die engere Umgebung angelagerten weiteren<br />

„Lebenskreise” <strong>und</strong> ihrer „Horizonte” (Pestalozzi): Die Landschaft, das<br />

Land, der sprachliche Großraum, dann Europa, schließlich die „Welt”. Heimatbewusstsein<br />

setzt das Andere voraus <strong>und</strong> daher auch Toleranz. Automatisch ist<br />

es auch immer eine Form des Weltbewusstseins. Dadurch verliert der Heimatbegriff<br />

seine bloß geographische Komponente <strong>und</strong> seine existentielle Bedeutung<br />

wird deutlich. Heimat ist ein Komplex, den es für jeden Menschen aktiv zu<br />

schaffen gilt, eine Beziehung, die eine stetige, geistige Anstrengung voraussetzt.<br />

Die hohe Bewertung der eigenen Heimat ist freilich nur unter der Bedingung<br />

sinnvoll <strong>und</strong> zulässig, dass man auch für die Heimat anderer eintritt. Das Recht<br />

auf Heimat, das als kategorischer Imperativ für alle Menschen gilt, hat elemen-<br />

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