EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...
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Wahrheit sind sie feindliche Brüder, in falschem Modernismus <strong>und</strong> falschem<br />
Antimodernismus geeint. Sie untergraben die Moderne von beiden Seiten<br />
aus. Aber die Moderne ist weder vorbehaltlos zu bejahen noch ist sie pauschal<br />
zu verwerfen. Nur eine Balance von Modernitätskritik <strong>und</strong> Modernitätsaffirmation<br />
wird ihr gerecht.<br />
Heute wird immer wieder der Ruf nach größeren politischen Einheiten laut:<br />
nach einem Weltstaat, einer Weltrepublik, einer globalen Demokratie. Man-<br />
che meinen, dass sich nach Polis, Imperium <strong>und</strong> Nationalstaat ein neues<br />
Paradigma ankündige, die Wende zu einer transnationalen, einer großräumigen,<br />
ja einer die Welt umfassenden Demokratie. Einmal abgesehen da-<br />
von, dass es sich hier um Wunschträume handelt, die nicht gerade selten auf<br />
sozial demo kratische Ursprünge zurückzuführen sind, auf Versuche, für New<br />
Labour einen Weg zwischen rechts <strong>und</strong> links zu finden, man übersieht, dass<br />
die politische Welt sich momentan nicht nur vergrößert, sondern ebenso Zug<br />
um Zug verkleinert. Es gibt nicht nur neue Großräume wie die EU, Amerika<br />
oder Asien. Es gibt auch eine immer kleinteiligere Zerbröselung der Einheiten.<br />
Imperien wie die Sowjetunion sind in einzelne Staaten zerfallen. Staaten<br />
stoßen auf ein neues Selbstbewusstsein der Regionen. Die Lebensfor-<br />
men vervielfältigen sich in eine postmoderne Vielfalt. Großräumigkeit <strong>und</strong><br />
Kleinteiligkeit reichen sich die Hand. Auch da besitzt die Moderne keine Eindeutigkeit.<br />
Ein heute wieder beliebtes Schlagwort der Antike ist der Kosmopolitismus,<br />
<strong>und</strong> manche fordern eine kosmopolitische Demokratie (Held, Beck). 7 Die<br />
Moderne macht uns in der Tat alle zu Weltbürgern. Das Recht ist Recht des<br />
Menschen geworden, die Moral ist universal, wir lesen Weltliteratur <strong>und</strong> wir<br />
können uns für die entferntesten Winkel der Erde interessieren. Aber dieser<br />
Universalismus <strong>und</strong> Kosmopolitismus ist politisch nicht unschuldig. Bereits in<br />
der Antike war er der Schatten der Imperien. Heute kann er die Kehrseite<br />
eines sich globalisierenden Kapitalismus oder eines universalen Interventionismus<br />
sein. Die Rhetorik ist übrigens schon in der Antike genau dieselbe wie<br />
heute. Wenn Arrian das Reich des Alexander lobt oder Aristides Rom, dann<br />
7 Held, David, Democracy and the Global Order, Cambridge 1995; Archibugi, Daniele / Held, David<br />
(Hrsg.), Cosmopolitan Democracy, Cambridge 1985; Beck, Ulrich, Macht <strong>und</strong> Gegenmacht im globalen<br />
Zeitalter, Frankfurt am Main 2002.<br />
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