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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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sollte, den Protest der Bisiachi hervor, da sie befürchteten, ihre jahrh<strong>und</strong>ertealte<br />

Individualitat könnte von der friaulischen, die weitaus größer <strong>und</strong> robuster<br />

war, absorbiert <strong>und</strong> ausgelöscht werden. Eine Ethnie, die sich behauptet, tut<br />

dies häufig auf Kosten einer schwächeren <strong>und</strong> negiert so das Prinzip, in dessen<br />

Namen sie gegen den stärkeren Staat oder gegen die stärkere Nation<br />

aufbegehrt, von dem oder der sie sich unterdrückt fühlt; die Geschichte ist wie<br />

ein schäumendes Aufbrodeln, in dem die aufsteigenden Bläschen sich gegenseitig<br />

zerstören <strong>und</strong> eines nach dem anderen zerplatzen.<br />

Als Synonym für „Flüchtling“ <strong>und</strong> für „Vertriebener“ bezeichnete bisiaco in<br />

den vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erten jemanden, der schlecht spricht <strong>und</strong> folglich<br />

schwer von Begriff ist, einen Dummen; wer unsere Sprache nicht spricht, ist,<br />

für jeden von uns, stets ein Barbar, so wie es schon bei den Griechen war. Ein<br />

Reisender, der auch immer ein wenig Nomade ist, fühlt sich leicht als Fremder,<br />

weil er die Sprache nicht gut versteht <strong>und</strong> auch die Gesten, die Empfindungen<br />

<strong>und</strong> die Götter der Leute nicht, so wie er auch die Stimmen der Vögel nicht<br />

unterscheiden kann – auf der Insel Cona, an der Mündung des Isonzo, sind an<br />

einem einzigen Tag einh<strong>und</strong>ert verschiedene Arten zu sehen – oder den Klang<br />

des Windes <strong>und</strong> die sich ankündigenden Wetteränderungen.<br />

2.<br />

Die Reisestrecken in der Bisiacaria, von einem Dorf zum nächsten, sind eher<br />

kurz, einmal acht Kilometer, einmal zweieinhalb. Doch wie die Zeit zieht sich<br />

auch der Raum zusammen oder dehnt sich aus, je nachdem, was ihn füllt; er<br />

fällt zusammen oder bläht sich auf wie ein Luftballon, vergrößert die Entfernungen<br />

<strong>und</strong> die Dinge, verändert ihre Proportionen. Ein neugieriger, aufmerksamer<br />

Müßiggänger, der auf einem engbegrenzten Terrain umherstreift, ähnelt<br />

einem Photographen, der Bilder vergrößert, wobei er aus der Verschwommenheit<br />

immer neue Details zutage fördert <strong>und</strong> ineinander verschachtelte Welten<br />

entdeckt. Ein Sumpf auf der Insel Cona ist ein <strong>und</strong>ifferenzierter Fleck, doch<br />

nach <strong>und</strong> nach entdeckt das Auge unzählige Realitäten <strong>und</strong> holt sie in den<br />

Vordergr<strong>und</strong>, das reglose Maul eines Frosches an der Wasseroberfläche, die<br />

Schnörkel einer dahingleitenden Natter, ohne dass zu erkennen ist, ob sie an<br />

der schlammigen Oberfläche schwimmt oder kriecht. Zwischen den Dingen<br />

tun sich Entfernungen auf, <strong>und</strong> ein Röhricht, das man mit von der großen Sommersonne<br />

geblendeten Augen lange betrachtet hat, durchläuft den gleichen<br />

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