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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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Art. Sie reichen vom griechischen <strong>und</strong> römischen Erbe unserer Kultur bis zur<br />

Erbschaft des Christentums. Das Christentum, heißt es bei Jürgen Habermas,<br />

„ist für das normative Selbstverständnis der Moderne nicht nur eine Vorläufergestalt<br />

oder ein Katalysator gewesen. Der egalitäre Universalismus, aus dem die<br />

Idee von Freiheit <strong>und</strong> solidarischem Zusammenleben, von autonomer Lebensführung<br />

<strong>und</strong> Emanzipation, von individueller Gewissensmoral, Menschenrechten<br />

<strong>und</strong> Demokratie entsprungen sind, ist unmittelbar ein Erbe der jüdischen<br />

Gerechtigkeits- <strong>und</strong> der christlichen Liebesethik“. 1 Wie wir unser Leben<br />

verstehen <strong>und</strong> wie wir es in Zukunft verstehen wollen, das hängt von unserem<br />

Verständnis der Vergangenheit ab. Odo Marquard hat es wie immer<br />

bündig formuliert: „Zukunft braucht Herkunft“. 2 Der Blick nach vorn bedarf des<br />

Blicks zurück, <strong>und</strong> erst der Blick in beide Richtungen lässt verstehen, was unsere<br />

Zeit, was die Moderne ist.<br />

Modern ist, dass die Moral universal <strong>und</strong> reflexiv wird. Modern ist, dass das<br />

Recht zum Recht des Menschen wird. Recht <strong>und</strong> Moral in ihrer Universalität<br />

sind Errungenschaften der Moderne. Diese gilt es, „modernitätskonservativ“<br />

zu bewahren. Die große Frage ist nur, auf welche Weise dies geschehen kann.<br />

Es kann nicht geschehen, wenn man die Moderne nur von einer ihrer Seiten<br />

aufgreift. Ich gebe drei Beispiele dafür:<br />

Beispiel Nr. 1: Modern ist die Beschleunigung des kulturellen Wandels. „Erfahrungsraum“<br />

<strong>und</strong> „Erwartungshorizont“ treten, so Koselleck, auseinander. 3<br />

Während früher das Alter mit Weisheit gleichgesetzt wurde, versteht der<br />

Großvater den Enkel heute nicht mehr. Kopfschüttelnd steht er neben seinem<br />

Enkel, wenn dieser am PC sitzt <strong>und</strong> dort seine mysteriösen Dinge treibt. Die<br />

Veraltungsgeschwindigkeit kultureller Phänomene nimmt ständig zu. Aber<br />

was geschieht, wenn solche Prozesse der Beschleunigung auftreten? Sie rufen<br />

als Reaktion das Bedürfnis hervor, eine Welt wiederzufinden, die einem vertraut<br />

gewesen ist, eine Welt, in der man wieder zuhause sein kann. Aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong>e boomen die Flohmärkte <strong>und</strong> die Museen. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e<br />

wird heute auch noch die letzte Fassade renoviert. Das ist erfreulich. Je<br />

1 Habermas, Jürgen, Zeit der Übergänge, Frankfurt am Main 2001, 174f.<br />

2 Marquard, Odo, Zukunft braucht Herkunft, in: Ders., Philosophie des Stattdessen, Stuttgart 2000,<br />

66–78.<br />

3 Koselleck, Reinhart, ‚Erfahrungsraum‘ <strong>und</strong> ‚Erwartungshorizont‘ – zwei historische Kategorien, in: Patzig,<br />

Günther u.a. (Hrsg.), Logik, Ethik, Theorie der Geisteswissenschaften, Hamburg 1977, 191–208.<br />

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