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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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ung <strong>und</strong> Einordnung in ein größeres Ganzes. Ohne diesen Blick aufs Ganze,<br />

ohne Verantwortungsgefühl für das Gemeinwohl, ohne Solidarität mögen einzelne<br />

Gruppen wachsen wie die Krebszellen, die zum Teil viel besser <strong>und</strong><br />

schneller wachsen als normale Zellen, aber sie scheren aus dem Gesamtkontext<br />

des Organismus aus, verlieren ihre Orientierung <strong>und</strong> führen ein Eigenleben,<br />

das auf Dauer den Tod des Organismus zur Folge hat.<br />

Wenn auf allen Ebenen der Gesellschaft der Spekulant nur seinen alleinigen<br />

Vorteil sucht <strong>und</strong> die Formen der politischen Korruption zwar wechseln, aber<br />

überall anzutreffen sind, dann ist es nicht nur an der Zeit, nach vorbeugenden<br />

Gesetzen zu rufen, sondern nach Tugenden zu fragen, ohne die die Rede von<br />

Ethik <strong>und</strong> Moral nur heiße Luft <strong>und</strong> leeres Stroh bedeutet.<br />

In diesem Sinn gibt es auch in Österreich seit ein paar Jahren, wohl auch aus<br />

den Erfahrungen mit der seit der Wirtschaftskrise wachsenden Wirtschaftskriminalität,<br />

das sogenannte „Verbandsverantwortlichengesetz“, das eine strafrechtliche<br />

Verantwortlichkeit von Verbänden einführt, also von juristischen Personen<br />

sowie bestimmten Gesellschaften, insbesondere Personenhandelsgesellschaften,<br />

<strong>und</strong> damit nicht nur handelnde Personen, sondern auch Verbände<br />

<strong>und</strong> Gesellschaften als Ganze zur Verantwortung zieht.<br />

„Was aber ist“, fragt vor ein paar Monaten Paul Lendvai 3 , „wenn der Staat,<br />

wenn seine Träger selbst korrupt sind?“ Diese <strong>und</strong> andere gr<strong>und</strong>sätzliche<br />

Fragen stellt der deutsche Politologe Paul Noack schon in seiner 1985 veröffentlichten<br />

Studie über „Korruption – die andere Seite der Macht“. 4 Die von ihm<br />

zitierten klassischen Analysen hätten durchaus auch heute noch Relevanz.<br />

Ebenso das bereits 1979 in deutscher Sprache erschienene Alterswerk von<br />

Erich Fromm „Haben oder Sein“ 5 , in dem der Autor nach den „seelischen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen einer neuen Gesellschaft“ sucht <strong>und</strong> darüber nachdenkt, was es<br />

bedeutet, wenn jemand seine Lebenspraxis sosehr am Haben orientiert, dass<br />

ihm beim Wort „Vermögen“ nur „Bares als Wahres“ einfällt <strong>und</strong> er nicht im<br />

Traum daran denken mag, dass damit ja auch <strong>und</strong> zuallererst das gemeint sein<br />

könnte, was Fromm die psychischen Eigenkräfte des Menschen bezeichnet,<br />

deren heilige Trias er in Liebe, Vernunft <strong>und</strong> produktivem Tun sieht.<br />

3 In der Tageszeitung „Der Standard“ vom 29. Mai 2012, 21.<br />

4 Noack, Paul, Korruption – die andere Seite der Macht, München 1985.<br />

5 Fromm, Erich, Haben oder Sein, München 1979.<br />

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