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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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Triest als Ort, wo die Gedanken aufreißen<br />

hedwiG kainBerGer<br />

„Piazza piccola“ heißt die Stelle in Triest, von der das Denken über Europa<br />

seinen Ausgang nehmen sollte. Es ist ein winziger, enger Platz. Doch auf einer<br />

Seite kann der Blick durch Bögen kriechen, wie durch ein Nadelöhr hinaus in<br />

die Weite der Piazza dell‘unita d‘Italia <strong>und</strong> dann noch einmal weiter hinaus aufs<br />

Meer. Nirgendwo wirkt das Meer so weit, so erreichbar weit, so scheinbar<br />

leicht erreichbar, so fern <strong>und</strong> zugleich nah wie beim Blicken durch die Bögen<br />

der Piazza piccola.<br />

Zum Aufreißen der Gedanken über Europa eignet sich Triest auch aus<br />

einem zweiten Gr<strong>und</strong>: Diese Stadt <strong>und</strong> ihr Umland sind vorbildliches wie abschreckendes<br />

Beispiel für typische Vorkommnisse in Europa, für das, was es<br />

mit der europäischen Integration zu gewinnen <strong>und</strong> zu vermeiden gilt. Drei<br />

große europäische Kulturströme fließen hier friedlich ineinander oder stoßen<br />

grausam feindlich aufeinander: das Deutschsprachige (Triest gehörte 1382 bis<br />

1918 zu Österreich), das Slawische mit dem angrenzenden Slowenien <strong>und</strong><br />

dem nahen Istrien sowie das Romanische mit Italien.<br />

Das grausam Feindliche passierte vor allem im 20. Jahrh<strong>und</strong>ert: Nach der Unzufriedenheit<br />

mit der österreichisch-ungarischen Monarchie, die 1918 Triest<br />

verlor, setzte eine brutale Italienisierung ein, dieser folgte die NS-Zeit mit<br />

neuen Repressalien. Dann kamen über fünf Jahrzehnte am Eisernen Vorhang.<br />

Die Europäische Union hat mit Wirtschafts- <strong>und</strong> Währungsunion, Schengen-Raum,<br />

Erweiterung <strong>und</strong> Regionalförderung viel dazu beigetragen, die lang<br />

anhaltenden Leiden an Kämpfen, Krieg <strong>und</strong> militärisch strikt gesicherten Grenzen<br />

zu lindern: Grenzen werden geöffnet, in der gesamten Region wird in<br />

derselben Währung gezahlt, in allen Nachbarländern gelten in vielen Berei-<br />

chen – vor allem in der Wirtschaft – gleiche Gesetze, <strong>und</strong> spezielle Programme<br />

für Regionalförderung stimulieren grenzüberschreitende Kontakte.<br />

Ein Manko der EU-Politik ist die Kulturpolitik. Und an Tagungen wie dieser über<br />

„Europa neu denken“ wird gerne der Wunsch wiederholt, man hätte doch die<br />

europäische Integration mit der Kultur beginnen sollen, man solle über Kultur<br />

die europäische Integration voranbringen.<br />

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