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EUROPA NEU DENKEN - Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst ...

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Eine neue Begründung für alte Werte<br />

Wenn heute in der Hoffnung auf ihre grenzüberschreitende Verbindlichkeit nach<br />

Werten gerufen wird, dann genügt es nicht mehr, vor den sieben „Todsünden“<br />

zu warnen <strong>und</strong> diesen in Form der drei göttlichen Tugenden <strong>und</strong> der vier Kardinaltugenden<br />

eine andere Siebenzahl entgegenzuhalten. Völlerei, Wollust, Habsucht,<br />

Zorn, Neid, Trägheit <strong>und</strong> Hochmut werden nicht automatisch wettgemacht<br />

durch Glaube, Hoffnung, Liebe, Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit <strong>und</strong><br />

Mäßigung. Es sei denn, der Zeitgenosse nimmt sich zu Herzen, was er als aufmerksamer<br />

Besucher in der linken Seitenkapelle der Stadtpfarrkirche Murau auf<br />

evangelischen Wandmalereien aus der Renaissancezeit entdecken kann. Dort<br />

findet sich neben den drei göttlichen Tugenden <strong>und</strong> den vier Kardinaltugenden<br />

auch das Glück als Tugend dargestellt. Als „achte Tugend“ sorgt somit Fortuna<br />

als „Gleichmut gegenüber dem Willen Gottes“ rein numerisch für das Übergewicht<br />

auf der Waagschale zu Gunsten des Guten. Ein genialer, phantasievoller<br />

Schachzug, aber leider nicht gut genug, um angesichts der seelischen Not <strong>und</strong><br />

Bedürftigkeit des Menschen in einer immer komplexeren Gesellschaft ein<br />

brauchbares Leitmotiv für konkretes Handeln anzubieten. Glück, das sich nicht<br />

als Roulette im Dienste des Zufalls, sondern als Gleichmut, als innere seelische<br />

Ausgeglichenheit beschreiben lässt, mag eine prinzipiell richtige Perspektive eröffnen,<br />

kann aber keinen Handlungsimperativ im Hier <strong>und</strong> Jetzt aufzeigen!<br />

Dazu kommt, dass nirgends die Meinungsverschiedenheiten <strong>und</strong> die Widersprüche<br />

zwischen miteinander unverträglichen Standpunkten größer zu sein scheinen<br />

als in der Beurteilung von Werten <strong>und</strong> Handlungen bezüglich ihrer Richtigkeit <strong>und</strong><br />

Moralität. Wird in diesem Zusammenhang von „Freiheit“ geredet, wird sie oft nicht<br />

als „Freiheit aller“ begriffen, sondern als „Freiheit von Auserwählten“, die es sich zu<br />

„richten“ wissen. Gerade deshalb muss in den verschiedenen historisch entstandenen<br />

Moralsystemen gefragt werden, ob sie sich nicht trotz aller inhaltlichen Differenzen<br />

doch allesamt auf einen formalen Gr<strong>und</strong>satz zurückführen lassen?<br />

Ein solcher Gr<strong>und</strong>satz, der auf die Bibel zurückgeht, ist z.B. die ‚goldene Regel’:<br />

„Was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem andern zu“;<br />

oder positiv formuliert: „Behandle deine Mitmenschen so, wie du von ihnen<br />

behandelt werden willst.“ 7 Oder in der rabbinischen Übersetzung des biblischen<br />

Liebesgebotes: „Liebe Deinen Nächsten, er ist wie Du!“<br />

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